kampfmobil fischer: Überfüllte Rückbänke
Joschka Fischer ist also der grüne Spitzenkandidat. Was ist daran eigentlich neu? Nichts. Denn er war es sowieso. Und zwar seit vier Jahren.
Rückblende. Im März 1998 trafen sich die Grünen zu einem Parteitag in Magdeburg, wo eigentlich nur ein alter Beschluss bestätigt wurde: Die Ökosteuer sollte so lange hoch geschraubt werden, bis der Liter Benzin fünf Mark kostet. Doch was bis dahin meistens ignoriert wurde und gelegentlich als originell galt, erschreckte plötzlich. Schlagartig dämmerte öffentlich, was von den Grünen in der Regierung zu erwarten war. Nein, das wollte man doch nicht. Die Partei sackte in den Umfragen auf knapp unter fünf Prozent.
Kommentarvon 1. ULRIKE HERRMANN und 2. DANIEL HAUFLER
Dass es die Grünen heute noch gibt, zumal im Bundestag, das haben sie – wie man fast ohne Übertreibung sagen kann – nur einem Einzigen zu verdanken: Joschka Fischer. Nach dem Debakel von Magdeburg organisierte er sich selbst einen amerikanischen Wahlkampf, der mindestens so professionell war wie die Kampa-Kampagne der SPD. In einer beispiellosen Kraftanstrengung reiste er wochenlang mit seinem Kampfmobil, einem umgebauten Reisebus, durch Deutschland und begeisterte das grüne Wahlvolk.
Diese Vorstellung wird man nun erneut erleben. Und hätte man auch erlebt, wenn Joschka Fischer nicht zum offiziellen Spitzenkandidaten ausgerufen worden wäre. Denn der neue Titel ändert nichts an den alten Fakten: Joschka Fischer ist der beliebteste Politiker Deutschlands, er ist das größte rhetorische Talent – nicht nur der Grünen, sondern, jaja, schon wieder Deutschlands. Und er ist der einzige Generalist, der dennoch von der Außen- bis zur Umweltpolitik ins Spezielle einsteigen kann. Wenn er jetzt auch noch die Frauen- und Familienpolitik als opportun entdeckt, na, umso besser.
Für die Grünen wäre es taktisch allerdings klüger gewesen, Renate Künast in eine Wahlkampf-Doppelspitze zu befördern. Umso glaubhafter hätte man sich über die Männerbund-CDU amüsieren können, der nicht reif für Angie war. Zwar hätte Künast, obwohl selbst eine sehr gute Rednerin, neben dem erprobten Straßenkämpfer Fischer nur den Beifahrersitz im Wahlmobil eingenommen – aber das wäre immer noch deutlich besser gewesen, als die Rückbänke zu überfüllen. Denn die offizielle Ernennung des „Wahlkampfteams“ ist überflüssig. Was sollten die sechs grünen SpitzenpolitikerInnen sonst tun, als für ihre Wiederwahl zu werben?
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