piwik no script img

Liberaler gibt Parolen für Stoiber aus

Als „BamS“-Chef war Michael Spreng der Union zu Schröder-freundlich, jetzt wird er ihren Wahlkampf managen

Passt das? Und ob: Michael Spreng (53), Exchefredakteur der Bild am Sonntag (BamS), wird Leiter des Wahlkampfteams von Kanzlerkandidat Edmund Stoiber. Nicht, das die Union schon immer hinter Spreng stand: Der BamS-Chef galt in den Tagen des vorletzten konservativen Durchmarsches der Springer-Blätter als liberales Bollwerk. Widersetzte sich dem „Hochschreiben“ des nochmaligen Kanzlerkandidaten Helmut Kohl. Und sorgte stattdessen dafür, das Gerhard Schröder den Massen boulevardgerecht näher gebracht wurde. Schließlich, wusste die Woche zu berichten, sei der Michael mit dem Gerd sogar per Du.

„Der Kerl muss weg und kommt auch weg“, soll Kanzler Kohls Medienberater Andreas Fritzenkötter deshalb schon im Winter 1997 bei einer Unionstagung – passenderweise im auf CSU-Territorium liegenden Kloster Andechs – gefordert haben. Doch erst im Herbst 2000 wurde wahr, was Kohl wie die konservative Springer-Chefetage herbeisehnten: Spreng wurde nach elf Jahren an der BamS-Spitze abgesägt, in bis dahin bei Springer unüblich rüder Art und Weise: Der Dank für erfolgreiche Arbeit und gesteigerte Auflage fiel denkbar dünn aus. Spreng werde „von seinen Aufgaben entbunden“, lautete das im barschen O-Ton, offiziell musste eine allen Springer-Blättern verordnete Verjüngungskur als Begründung herhalten. Der Kanzler hieß da längst Gerhard Schröder.

Und Spreng hatte alle länglich hingehalten, mit einer zunächst geschickten, dann aber zu durchsichtigen Abwehrschlacht: Er steht unter dem glaubwürdigen Verdacht, die vor allem im Manager Magazin kolportierten Gerüchte über seine bevorstehende Ablösung selbst lanciert zu haben. Das Branchenecho zugunsten des wegen seines liberalen Kurses bei den neuen Konservativen im Hause Springer Angeeckten war entsprechend. Und die Springer-Granden zogen sich wieder zurück.

Erst im Rahmen der unter dem heutigen Springer-Vorstand Mathias Döpfner ausgelösten Chefredakteurs-Großrochade, der auch Bild-Chef Udo Röbel zum Opfer fiel, wurde Spreng endgültig entsorgt. Seitdem war der erprobte Blattmacher, der vor der BamS bereits den Kölner Express geleitet hatte, für diverse Chefredakteursposten von Berliner Zeitung bis Focus im Gespräch, präsentierte sich im vergangenen Sommer dann aber überraschend als freier Medien- und Kommunikationsberater.

Dass der einst so Ungeliebte nun als Frontmann für den Kanzlerkandidaten der Union um die Wählerinnen und Wähler kämpft, entbehrt also nicht einer gewissen Ironie. Doch Andreas Fritzenkötter sorgt sich heute beim Bauer-Verlag mehr um die Bravo als um die Union, und Sprengs Qualitäten dürften Stoiber durchaus zupass kommen: Der hölzern wirkende bayerische Landeschef und sein nicht ganz einfaches Lieblingsthema Wirtschaft wollen schließlich plakativ unters Volk gebracht werden. Nötig tät’s, wie Stoibers Auftritt bei der ARD-Talkshow „Christiansen“ am Sonntag zeigte.

Stoiber selbst, meldete nun gestern die Welt, sei mit sich ganz zufrieden gewesen. Das Blatt wartete am selben Tag in bester Springer-Tradition mit noch einer trotzigen Exklusivmeldung auf: Stoiber habe Spreng getroffen, doch mit der Frage nach dem Wahlkampfchef habe das alles nichts zu tun, meldete das Blatt auf der Titelseite.

STEFFEN GRIMBERG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen