DEUTSCHE TUGENDEN HELFEN DEN DEUTSCHEN SCHULEN NICHT: Der eiserne Hundt
So ging das jahrelang. Immer wenn deutsche Kicker verloren hatten, appellierten dieTrainer mit dem Bundesadler auf der Brust an deutsche Tugenden. Berti Vogts etwa, einer der härtesten Verteidiger, die wir je hatten, forderte: Kampfgeist, pünktliches Erscheinen und eiserne Manndeckung. Da mochten andere Teams längst zur Raumdeckung übergegangen sein.
Ähnlich modern gibt sich Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Die deutschen Schüler haben beim internationalen Schülervergleich Pisa schlecht abgeschnitten, was fast noch schlimmer ist als eine Niederlage der Nationalmannschaft. Und schon trainiert der Boss der Bosse den altbekannten Spielzug: Die Schule müsse Leistung von Anfang an bieten, die Kuschelpädagogik der 70er sei passé. Das zeigt, wie wenig Hundt gelernt hat. Eisern fordert er die Manndeckung alter Schule. Glücklicherweise haben sich die Zeiten auch da geändert.
Hundts Rohrstockpädagogik zeigt, wie zurückgebliebenTeile der Managerlobby sind. Die Industrie ist es doch, die gut ausgebildete und selbstständige Mitarbeiter braucht – und zwar sehr viele. Vorbei sind die Zeiten schmalspuriger Fließbandarbeiter, die nur einen Handgriff ausführen dürfen. Heute sucht auch der Mittelstand Leute, die im Team arbeiten und mehr als Grundkenntnisse am Computer vorweisen können.
Die alte Schule deutscher Prägung vermittelt heute praktisch keine der Qualifikationen mehr, die in der New Economy so wichtig sind. Das dreigliedrige Schulwesen sortiert sich selbst den Nachschub an Talenten weg. Mit seiner Gleichschritt-Didaktik für homogene Lerngruppen verhindert sie dumme wie intelligente Fragen im Unterricht. Das Lernklima, so sagen es die Pädagogen, ist hier zu Lande zu uniform und zu sehr auf Ordnung fixiert. Projekt- und Teamarbeit sind die Ausnahme, das Überschreiten von Alters- und Fächergrenzen so gut wie unmöglich. Das alles hätte Dieter Hundt wissen können – wenn er Pisa studiert hätte. Aber weit über die Hälfte der harten Jungs, auch das ist ein Ergebnis der Studie, „lesen, nur wenn sie unbedingt müssen“. CHRISTIAN FÜLLER
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