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Zum Atomkrieg bereit

Der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon will bei einem Krieg gegen Bagdad den Einsatz von Kernwaffen nicht ausschließen. Großbritannien scheint damit der neuen US-Nukleardoktrin zu folgen

von ERIC CHAUVISTRÉ

„Dann sollten wir uns die Option offenhalten, Atomwaffen einzusetzen.“ So antwortete der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon am Sonntag im Fernsehsender ITV auf die Frage, wie er auf einen irakischen Angriff auf britische Truppen mit chemischen oder biologischen Waffen reagieren wolle. Dann sei die Atommacht Großbritannien berechtigt, auch die größte Waffe in ihrem Arsenal einzusetzen, so Hoon. Mit dem eindeutigen Statement wiederholte Hoon öffentlich seine Drohung gegen den Irak, die er in der letzten Woche vor dem Verteidigungsausschuss des britischen Parlaments ausgespochen hatte: „Sie können ganz sicher sein, dass wir unter den richtigen Voraussetzungen bereit sind, unsere Nuklearwaffen zu nutzen“, hatte der Minister erklärt. Die Wortwahl vor den Fersehkameras war nun eine noch deutlichere Drohung gegen den Irak.

Großbritannien scheint sich damit der neuen Nukleardoktrin der USA anschließen zu wollen. Erst vor zwei Wochen war ein Dokument des US-Verteidgungsministeriums an die Öffentlichkeit gelangt, das den Einsatz von Atomwaffen der USA ausdrücklich auch gegen solche Staaten vorsieht, die nicht selbst über Atomwaffen verfügen. Der so genannten „Nuclear Posture Review“ zufolge sollen US-Atomwaffen auch gegen vermutete Anlagen zur Produktion chemischer und biologischer Waffen eingesetzt werden können und für den – nicht näher definierten – Fall „überraschender militärischer Entwicklungen“. „Atomare Angriffsoptionen, die im Umfang, Ausmaß und Zweck variieren“, so das Papier, „werden die militärischen Fähigkeiten ergänzen.“ Auch die Länder, die Ziel eines atomaren Angriffs der USA werden könnten, werden in dem Dokument aufgelistet. Neben den Atomwaffenstaaten China und Russland zählen Iran, Nordkorea, Libyen und Syrien – und natürlich der Liebingsfeind Irak – zu den potenziellen Zielen der Pentagon-Planer.

Eine konkrete, öffentlich ausgesprochene Drohung eines hochrangigen Mitglieds der US-Regierung, Atomwaffen bei dem geplanten Krieg gegen Irak einzusetzen, gab es bislang jedoch nicht. Die Äußerung des britischen Verteidigungsministers hat deshalb eine neue Qualität. Und sie ist das erste Anzeichen aus einem europäischen Nato-Staat, dass die USA nicht allein stehen mit ihrer umstrittenen neuen Nukleardoktrin.

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