: Zu viel, zu mau, zu langsam
Die Kredithäuser haben bei der Kirch-Finanzierung eine Reihe Fehler gemacht. Deshalb sind sie nicht nur für den Aufstieg des früheren Medienmoguls mitverantwortlich, sondern auch für seinen Absturz
von HERMANNUS PFEIFFER
Die größte Pleite in der deutschen Wirtschaftsgeschichte hinterlässt bei der insolventen Kirch-Gruppe etwa 7 Milliarden Euro Schulden. Finanziert wurden sie von Banken. Dresdner-Bank-Chef Bernd Fahrholz lehnt trotzdem jede Mitschuld ab: „Aufgabe der Banken ist es nicht, unternehmerische Entscheidungen für Kunden zu treffen.“
Mitte der 50er-Jahre hatte Leo Kirch sein erstes Unternehmen zur Verwertung von Filmrechten gegründet. Um das kommende deutsche TV zu füttern, kaufte er in Hollywood tausende Filme. 1984 startete das Privatfernsehen. Leo Kirchs PKS (heute Sat.1) wurde der erste überregionale private TV-Sender. Bald erreichte das Kirch-Imperium mit mehr als 50 Firmen seine größte Ausdehnung. Diese Expansion wurde finanziert von den Geschäftsfreunden in großen Kreditinstituten, die den Visionen Kirchs ebenso vertrauten wie den Traumschlössern des Pleitenbankiers Jürgen Schneider. Sie haben sich verspekuliert, der wirtschaftliche Erfolg des werbefinanzierten Privatfernsehens blieb aus. Unter den rund 30 inländischen Sendern gelten heute lediglich Bertelsmanns RTL und Kirchs Pro Sieben als profitabel. Zudem wollten die Zuschauer weniger Filmkonserven und mehr heimische Seifenopern sehen, was wiederum das Kerngeschäft Kirchs, die Rechte von US-Spielfilmen, störte. Trotzdem wären diese Entwicklungen ohne spektakuläre Folgen geblieben, hätten Kirch und „seine“ Banken nicht grenzenlos überzogen und noch im vergangenen Jahr die milliardenschweren Formel-1-Rechte gekauft.
Das Geld für die Kirch-Utopien kam vor allem von der Bayerischen Landesbank, bei der Kirch mit rund 2 Milliarden Euro in der Kreide stehen soll – mit nicht eben den besten Sicherheiten. Ähnlich ist es mit der genossenschaftlichen DZ Bank (etwa 400 Millionen Euro Kirch-Kredite) und möglicherweise der Münchner HypoVereinsbank (500 Millionen). Dagegen gelten die Sicherheiten der Dresdner Bank (460 Millionen) und der Deutschen Bank (615 Millionen) als solide. Aufgrund der unterschiedlichen Lage finden die Banken keinen gemeinsamen Kurs – das erklärt die angeblich unbedachten Worte von Deutsche-Bank-Chef Rolf E. Breuer, der im Februar öffentlich auf die Defizite bei Kirch hinwies und damit das Finale einläutete.
Die Kirch-Banken begingen einen weiteren Fehler, als sie die mauen Inhalte der Programme akzeptierten. Eine inhaltliche Schwäche, die selbst Kirch wohl bedauert, denn in einem lichten Moment soll er die Volksverdummung beklagt haben, die seine Medien bewirkt hätten. Ohne die Bayern-Connection wäre ihm sein rasanter Aufstieg niemals gelungen. „Mit der Landesbank wurde ganz massiv Politik gemacht“, kritisiert die finanzpolitische Sprecherin der bayerischen Grünen, Emma Keller.
Der dritte Fehler der Banken war es, Kirch zu spät fallen zu lassen. Das 1990 gegründete Bezahlfernsehen wollte hierzulande fast niemand sehen. Kirch spielte nun erst recht Vabanque und holte sich Ende 1999 Rupert Murdoch mit einer Überkreuzbeteiligung ins Haus. Die Crux: Kirch übernahm eine Rückkaufoption auf den Murdoch-Anteil an Premiere über 1,8 Milliarden Euro, die im Herbst fällig ist und die er nicht mehr bezahlen kann.
Nach dem Insolvenzantrag ist es nun egal, ob Kirch das Verfahren am Stück überlebt oder in Einzelteile zerlegt wird – die Banken wollen die Filetstücke. Denn sie brauchen das Geld dringend: Die Bayerische Landesbank leidet noch unter weiteren Pleiten im Freistaat, so beim Flugzeugbauer Fairchild Dornier und der Schmidt-Bank in Hof. Das scheint in Wahlkampfzeiten jedoch kein Grund zu sein, kürzer zu treten. Montag wurde bekannt, dass ein Konsortium unter Führung der Bayerischen Landesbank einen Kredit über 230 Millionen Euro vergeben hat, an einen Konkurrenten von Kirch, den Spielfilmvertreiber Senator Entertainment.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen