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Der sozialdemokratische Abgrund

■ Unmut in der SPD über schwachen Auftritt von Fraktionschef Uwe Grund

Erst bleibt sein Auftritt am Rednerpult der Bürgerschaft blutleer und ohne Biss, am nächsten Tag verpasst er die Attacke: SPD-Fraktionschef Uwe Grund hat in der Generaldebatte am Montag und Dienstag eine unglückliche Figur abgegeben. Er ließ die Chance verstreichen, den Rechtsblock vorzuführen. „Mitleiderregend“, spottete Bürgermeister Ole von Beust (CDU) über den Oppositionsführer, dessen Aufgabe es gemeinhin ist, den Regierungschef in Grund und Boden zu reden.

Der Unmut in der Fraktion über den Chef war so heftig, dass Grund sich am Dienstag vor seinen Abgeordneten für sein schwaches Auftreten entschuldigte und Besserung gelobte. Prompt aber patzte er kurz darauf erneut.

Die flegelhafte Rede von Justizsenator Roger Kusch (CDU) quittierte Grund mit dem Zwischenruf, das sei „die schlimmste seit Kriegsende“. Doch statt direkt nach dem Kusch-Auftritt ans Rednerpult zu gehen und den Senator mit zwei, drei Sätzen zurechtzuweisen, schwieg er. Eine Viertelstunde später ließ Grund dafür eine Presseerklärung verteilen, in der er Kusch „eine Hetzrede“ vorwarf. Damit handelte er sich lediglich einen Konter der Schill-Fraktion ein, die Grund aufforderte, sich bei Kusch zu entschuldigen: Öffentlichkeitswirksame Auftritte sehen anders aus.

Da hilft es auch nicht viel, dass gestern die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen plichtschuldigst assistierte: „Ein Rückfall in die Justizpolitik der 50er Jahre“, warf deren Vorsitzender Friedrich-Joachim Mehmel Kusch vor. Der Senator sei „mitverantwortlich für neue Straftaten und damit für neue Opfer“. Sätze, die sich nicht wenige SPD-Abgeordnete in der Debatte von ihrem Vorsitzenden gewünscht hätten.

Der verpatzte Auftritt liefert neue Nahrung für Überlegungen, es mit einem neuen Fraktionschef zu probieren. SPD-intern ist klar, dass nach der Bundestagswahl am 22. September in der Hamburger Partei „die Karten neu gemischt“ werden, das gilt auch für den Fraktionsvorsitz. Grund galt von Anfang an als Interims-Lösung, um „hoffnungsvollen Leuten die Chance zu geben, sich zu profilieren“, wie es ein Sozialdemokrat ausdrückte, der zu denen gehört, ohne die gar nichts geht.

Als Favoriten gelten zwei von Grunds Stellvertretern: Sicher-heitspolitiker Michael Neumann und Wirtschaftssprecher Ingo Egloff, der auf dem Parteitag im Mai auch zum Partei-Vize aufsteigen soll: Beide haben Grund zu Hoffnungen.

Peter Ahrens / Sven-Michael Veit

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