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Mission 18 Prozent

■ Tipps für die Bürgerschaftswahl: Jürgen W. Möllemann rät der Bremer FDP zur Möllemannisierung

Er war Staatsminister im Auswärtigen Amt, Bildungs- und Wirtschaftsminister. 1993 stürzte Vizekanzler Jürgen W. Möllemann nach der sogenannten Briefbogen-Affäre wegen eines Werbeschreibens für einen Verwandten. Seitdem lässt er keine Schlagzeile aus: Als Mitglied im Aufsichtsrat von Schalke 04, als Möchtegern-Kanzlerkandidat der Gelbe-Pullover-Partei – und als Fallschirmspringer. Jetzt gibt er der Bremer Kümmer-Partei mit seiner „Mission 18 Prozent“ Tipps, wieder in die Bürgerschaft zu kommen.

taz: Wie heißt der Bremer FDP-Vorsitzende?

Jürgen Möllemann: Claus Jäger.

Und sein Vize?

Weiß ich nicht. Ich bin ja Nordrhein-Westfale. Jäger wüßte auch nicht, wer in NRW Vize ist.

Jägers Stellvertreter heißen Peter Bollhagen und Willy Wedler. Wieviel Prozent hatte die Bremer FDP bei der letzten Bürgerschaftswahl?

Zu wenig, eindeutig zu wenig.

Es waren 2,5 Prozent. Wieviel wird die Partei bei den nächsten Wahlen im Mai 2003 erreichen?

Auf jeden Fall zweistellig.

Muss Claus Jäger dafür mit Ihnen fallschirmspringen?

Da komm' ich und helfe ihm, damit er beim nächsten Mal wenigstens auf die 18 Prozent zumarschiert.

Muss er Ihre populistische Tour mitmachen?

Es geht um Infotaiment: Informieren mit Unterhaltung. Eine dröge Mitteilung nimmt die Presse nicht zur Kenntnis.

Immerhin hat die Bremer FDP dieses Jahr schon 73 Pressemitteilungen veröffentlicht – 20 mehr als die SPD.

Das ist doch fleißig. Unseriös im Wahlkampf wären Stilmittel, die im Gegensatz zum Inhalt stehen. Ich würde mich nicht als Taucher betätigen – ich bin Fallschirmspringer.

Was soll die Bremer FDP denn tun?

Es so machen wie wir in NRW, so wie die Sachsen-Anhaltiner. Beide waren nicht mehr im Parlament drin. Und: Immer nur mit einem klaren, eigenständigen Profil, mit agilen Leuten, mit Zuversicht. Wenn man von vorneherein sagt, „Hauptsache fünf Prozent“, kriegt man die meisten Wähler nicht.

Wo sollte Herr Jäger ansetzen?

Bremen braucht eine bessere Bildungspolitik. Senator Lemke ist ein ausgezeichneter Fußballkenner, als Bildungspolitiker kann ich ihn nach der kurzen Amtszeit noch nicht beurteilen.

Immerhin ist er seit Juli 1999 im Amt...

Aber die Situation an den hiesigen Schulen und Hochschulen ist nicht die beste. Teil 2 der PISA-Studie dürfte für Bremen einen nicht besonders guten Platz bringen.

Wieso?

Dafür spricht nichts. Immerhin gibt es aber die IUB mit ihrem Gründer Fritz Schaumann, der mein Staatssekretär (in Möllemanns Zeit als Bildungsminister, d. Red.) war.

Dann läuft doch alles bestens.

Aber die IUB ist ja eine private Neugründung. Erstaunlicherweise hat die frühere rote Hansestadt Bremen dennoch Geld zugegeben. Da gab es früher ganz andere Töne.

Welche?

Henning Scherf hat einen bemerkenswerten Wandel vom Kaffeepflanzer zum Staatsetatisten gemacht.

Finden Sie das gut?

Ja – warum soll man nicht reifen können. Mittlerweile ist Scherf aber manchmal zu brav.

Und Herr Perschau?

Auch ein Wettbewerber. Große Koalitionen haben die Schwäche, dass sie zu Erstarrung führen – wie in Bremen. Noch ein Beispiel: die Verkehrspolitik: Man schleicht hier so durch. Das Auto ist hier kein Fahrzeug, sondern ein Stehzeug.

Interview: Kai Schöneberg

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