piwik no script img

Heute dürfen die Mädels ran

Am Girls‘ Day können Mädchen frauenuntypische Berufe kennenlernen. Die Wirtschaft fördert die Aktion nicht aus Selbstlosigkeit, sondern weil männlicher Nachwuchs fehlt

BERLIN taz ■ Jungs werden Elektroingenieure und Mädchen Arzthelferin? Naturwissenschaftliche und technische Berufe sind Männersache? Alles Vorurteile! Diese Erkenntnis ist jetzt auch bei deutschen Unternehmen angekommen. Am heutigen Girls‘ Day werben sie massiv um weiblichen Nachwuchs.

Der Girls‘ Day – oder auch „MädchenZukunftstag“ – fand im Vorjahr zum ersten Mal statt, aber nur in einzelnen Unternehmen. Jetzt wurde die Aktion ausgeweitet. Im ganzen Land laden über 1.000 Betriebe, Bildungs- und Forschungseinrichtungen, Behörden, Medien und Hochschulen mehrere 10.000 Mädchen ein, „frauenuntypische“ Berufe kennen zu lernen. Und das nicht ohne Grund: Auf der Berufswunschliste der Mädels stehen Bürokaufffrau oder Arzthelferin ganz oben – Berufe mit geringeren Verdienst- und Aufstiegschancen. Mit dem Girls‘ Day wollen die Unternehmen deshalb jetzt gezielt für techniknahe und naturwissenschaftliche Berufe werben. Hat die deutsche Wirtschaft das weibliche Potenzial entdeckt und betreibt deshalb selbstlos gezielte Frauenförderung? Davon kann keine Rede sein: Weil sich beispielweise der Bedarf an Ingenieuren und Informatikern mit männlichem Nachwuchs allein nicht decken lässt, sollen jetzt die Mädels ran. Die deutsche Wirtschaft macht aus der Not eine Tugend und schreibt sich „Frauenförderung“ und „Chancengleichheit“ auf die Fahnen.

Der Mobilfunkanbieter Alcatel zum Beispiel bringt heute rund 400 Mädchen Informationstechnik näher. Andreas Bernhardt, Vorstandsvorsitzender: „Die Mädchen gestalten bei uns heute Web-Seiten, lernen Löten und können sich über Ausbildungsberufe und Studiengänge informieren.“ Denise Deutsch (18) war schon 2001 bei Alcatel zu Besuch: „Der Girls‘ Day war ausschlaggebend, dass ich mich für ein Studium an der Berufakademie bewerben werde. Ich kann mich nur noch nicht zwischen Informationstechnologie und Informatik entscheiden.“ erklärt sie. Na also: Bei ihr wurde das Ziel erreicht.

Auch in kleineren Betrieben ist zunehmend Frauenpower gefragt. Bei Biobase in Wolfenbüttel seien zwar schon jetzt die Hälfte der 30 Mitarbeiter Frauen, erklärt Projektleiter Heiko Saxel. Trotzdem ist das Unternehmen auf der Suche nach weiblichem Nachwuchs: Sieben Mädchen lernen heute das Internet kennen und erfahren, wie ein Netzwerk funktioniert. Dass auch das Wetter manchmal mit Technik zu tun hat, zeigt der Deutsche Wetterdienst. Neben der Hauptstelle in Offenbach beteiligt sich auch die Wetterstation St.Peter-Ording am Girls‘ Day. Dort erklärt Peter Jockel seiner zehnjährigen Enkelin Messgeräte, Datenübermittlung und Wetterbeobachtung. Er findet: „Wir haben noch zu wenig Frauen in unserem Berufsfeld.“ Er hofft, dass seine Enkelin in der Schule vom Girls‘ Day erzählt und im nächsten Jahr mehr Mädchen teilnehmen.

Und was können Jungs am Girls‘ Day machen? Ein Angebot: Das Arbeitsamt Rostock bietet heute eine Diskussion zum Thema „Ist die Intelligenz von Mädchen und Jungen gleich?“.

Weitere Informationen im Internet unter: www.girls-day.de

ANGELIKA HENSOLT

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen