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Trunkenheit am Feuer

Heftige Krawalle in Prenzlauer Berg in der Walpurgisnacht. Eine junge Frau wird lebensgefährlich verletzt. Autonome plündern Supermarkt in Kreuzberg. Polizei setzt zunächst weiter auf Konzept der „ausgestreckten Hand“

Die Walpurgisnacht zum 1. Mai begann mit friedlichen Festen und endete in Gewalt: Bei Krawallen in Prenzlauer Berg wurde laut Polizei eine junge Frau von einer Flasche getroffen und lebensgefährlich am Hinterkopf verletzt. Sie musste vor Ort wiederbelebt werden. In Kreuzberg plünderten Autonome nach dem Ende eines Antifa-Konzertes einen Supermarkt. „Die schwersten Krawalle im Prenzlauer Berg seit 1999“ bilanzierte der dortige Einsatzleiter der Polizei, Michael Knape. „Die Deeskalationsstrategie der Polizei ist mit Füßen getreten worden.“

Rund 10.000 Menschen hatten zunächst friedlich im Mauerpark gefeiert. Gegen Mitternacht entzündeten dann mehrere hundert Menschen vor dem Park auf der Eberswalder Straße ein großes Feuer aus Holzkisten und Plakatwänden. Viele waren stark alkoholisiert. Als die anrückende Feuerwehr und Sanitäter angegriffen wurden, räumte die Polizei unter Steinwürfen die Straße. Die Beamten, die sich bis dahin im Hintergrund gehalten hatten, setzten Wasserwerfer und Tränengas ein – auch gegen friedlich Feiernde auf dem Parkgelände. Hier kam es nach Augenzeugenberichten zu rüden Polizeizugriffen mit zahlreichen Verletzten auf beiden Seiten.

„Die Randalierer haben den Polizeieinsatz geradezu herausgefordert“, sagte Michail Nelken vom Bürgerverein Gleimviertel, der das Fest organisiert hatte. In einer Erklärung des Vereins hieß es, unter den Gewalttätern hätten sich auch „offenkundig rechtsradikale Elemente“ befunden. Der TV-Journalist Andreas Jöhrens sprach gegenüber der taz von einem „sehr, sehr aggressiven Potenzial“ unter den Randalierern, das sich auch gegen Festbesucher gerichtet habe. Jöhrens selbst musste nach einem Steinwurf mit einer Platzwunde ins Krankenhaus. Ein weiterer Mann wurde mit einer Stichverletzung eingeliefert.

Auf dem Kreuzberger Oranienplatz hatten unter dem Motto „Raus aus der Scheiße – rein in den Rock“ rund 8.000 Jugendliche bei einem Open-Air-Konzert der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) gefeiert. Als kurz nach 22 Uhr der letzte Akkord der Avantgarde-Band „Goldene Zitronen“ verklungen war, ging es rein in den Krawall: Vermummte brachen die Rollläden eines Plus-Marktes auf und plünderten den Laden. Die ersten anrückenden Polizisten mussten unter Leuchtspurschüssen und Flaschenwürfen in den Laden flüchten. Mit Verstärkung und einem Wasserwerfer brachten die Beamten die Lage jedoch schnell unter Kontrolle. Auffällig war das betont zurückhaltende Vorgehen der Polizei, die Schlagstöcke blieben zumeist stecken.

Insgesamt nahm die Polizei in der Nacht 29 Menschen wegen Landfriedensbruch und Körperverletzung fest. Nach offiziellen Angaben wurden 83 Polizisten verletzt, die meisten nur leicht. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) warf dem Senat nach den Ausschreitungen ein falsches Ordnungsverständnis vor, das Polizeipräsenz als berechtigten Anlass zu Randale sehe. Ähnlich äußerten sich die Polizeigewerkschafter. Innensenator Ehrhart Körting verteidigte das Konzept der „ausgestreckten Hand“ am Nachmittag. MAX

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