: „Der ist ohnehin klostertauglich“
Den Jugendschutz zu verschärfen hält Burkhard Schröder für Unfug und fordert: „Ballerspiele in den Unterricht“
Bundeskanzler Schröder und die Ministerpräsidenten der Länder haben sich gestern in Berlin geeinigt: Künftig soll es weniger Gewaltdarstellungen in den elektronischen Medien geben und der Verkauf gewaltverherrlichender Videos und Computerspiele eingedämmt werden.
taz: Nach dem Amoklauf in Erfurt ist eine Verschärfung des Jugendschutzes geplant. Halten Sie das für sinnvoll?
Burkhard Schröder: Nein, denn der deutsche Jugendschutz ist ohnehin klostertauglich. Deutschland hat den schärfsten Jugendschutz aller europäischen Staaten, aber genauso viele Probleme, die die Jugend betreffen, wie alle anderen Staaten auch. Deshalb geht die Diskussion um eine Verschärfung des Jugendschutzes am Thema vorbei.
Der klassische Jugendschutz in Deutschland geht immer noch davon aus, dass Jugendliche vom Anblick des Bösen negativ beeinflusst werden und dass man sie deshalb vor diesem Einfluss schützen muss. Das ist eine obrigkeitsstaatliche Perspektive, die im 21. Jahrundert und im Zeitalter des Internets weder effektiv noch sinnvoll ist.
Müsste die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften neu definieren, wie sie mit Gewalt verherrlichenden Medien umgeht?
Ich habe noch eine effektivere Lösung im Sinn. Ich finde, die Bundesprüfstelle müsste ersatzlos aufgelöst werden. Sie hat oft groben Unfug von sich gegeben und kann nicht effektiv arbeiten. Das sieht man am Beispiel rechte Musik: Diese Gruppen betrachten es inzwischen als Gütesiegel, auf den Index zu kommen.
Darf die Gesellschaft davor kapitulieren?
Natürlich nicht. Aber man muss sich im Klaren sein, wenn etwas verboten ist, interessieren sich die Jugendlichen erst recht dafür. Ein solches Verbot wäre dann so effektiv wie das Verbot von Cannabis. Man kann im Kapitalismus nicht den Markt beeinflussen: Wenn es Nachfrage nach Produkten gibt, gibt es immer auch ein entsprechendes Angebot.
Wäre es im Internetzeitalter überhaupt möglich, das Angebot zu kontrollieren?
Jeder, der eine solche Kontrolle versucht, outet sich damit als DAU, als dümmster anzunehmender User, und hat technisch vom Internet keine Ahnung. Das ist prinzipiell nicht zensierbar.
Wie kann man auf Gewaltdarstellungen reagieren?
Wir müssen die Medienkompetenz bei Jugendlichen und bei Lehrern fördern. Gewaltdarstellungen und Horrorvideos müssen in der Schule thematisiert werden. Jugendliche, die über kein soziales Umfeld verfügen, in dem sie über Gewalterfahrungen sprechen könne, kapseln sich ab. Deshalb müssen Lehrer kompetente Ansprechpartner werden, denen man erzählen kann, wie solche Spiele und Videos auf einen wirken, und die wissen, wovon die Jugendlichen reden. Grob gesagt: Ballerspiele gehören in den Unterricht.
INTERVIEW: ANGELIKA HENSOLT
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