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Gegenproteste gegen Proteste

Demonstration der Grünen gegen Bush wird nach Gegenprotesten abgebrochen. Linker US-Publizist kommt nicht zu Wort. Derweil verzeiht die PDS-Basis die Abwesenheit ihrer Senatorenprominenz. Und PDS-Chefin Zimmer kämpft für US-Bürger

von SABINE AM ORDE

Um viertel vor drei geht es Unter den Linden noch gemächlich zu. Vor der Kundgebungsbühne der Grünen wird die Parteivorsitzende Claudia Roth von Journalisten umringt. „Alle Kriege mitmachen und dann demonstrieren“, ruft ihr ein Passant von hinten zu. Plötzlich spritzt jemand ihr von vorne Limonade ins Gesicht. Roth wahrt die Fassung und trocknet sich das Gesicht.

Kurz nach 15 Uhr haben sich rund 150 Demonstranten versammelt, darunter viele Parlamentarier, die Landesvorsitzenden Regina Michalik und Till Heyer-Stuffer, Parteichef Fritz Kuhn, Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer. Die Grünen-Plakate werden in Stellung gebracht: „Todesstrafe abschaffen“, „Grünes Licht für Kyoto“ und „Rote Karte für Bush“ steht darauf. Wolfgang Wieland, Fraktionschef der Berliner Grünen, kritisiert die Verweigerungshaltung der USA zum Weltstrafgerichtshof, erntet aber nur wenig Applaus. Klatschen und Buh-Rufe halten sich die Waage. Vom Bebelplatz dröhnt laute Musik. Wieland ist kaum noch zu verstehen. Dann spricht Norman Birnbaum, der linke US-amerikanische Sozialwissenschaftler und Publizist. Plötzlich springen junger Männer auf die Bühne, versuchen ein Plakat zu entrollen. „Es gibt keinen gerechten Krieg“, steht darauf. Doch die Polizei ist schneller. Sie drängt die Gegner des Afghanistankrieges und Globalisierungskritiker vom Podium. „Keine Gewalt“, brüllt jemand im Publikum. „Die Grünen sind eine Kriegspartei“, schreit ein Demonstrant in sein Megafon. Seine Stimme überschlägt sich. „Ihr seid die Verräter – wir sind eure Wurzeln“, brüllt eine Gruppe im Publikum.

Inzwischen ist Reinhard Bütikofer auf die Bühne gestiegen und schickt die Polizisten zurück. „Wer einen 75-Jährigen daran hindert, die Position der amerikanischen Linken vorzutragen, der ist kein Linker!“, ruft er von der Bühne. Doch Bütikofer dringt nicht durch. „Heuchler, Heuchler“, brüllt ein Teil des Publikums, die Stimmung ist aggressiv. Schließlich gibt der Grüne auf. „Wir brechen die Kundgebung ab und machen jetzt eine Pressekonferenz.“ Unter den Grünen im Publikum macht sich Unmut breit. „Das war falsch“, sagt die Berliner Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz später. „Man hätte sie reden lassen sollen, auch wenn es befremdlich ist, einen Birnbaum nicht sprechen zu lassen.“ Aber befremdlich sei auch, „wenn martialisch gepolsterte Jungs von der Polizei auf unsere Bühne stürmen“.

von MARKUS MAXIMILIAN POHL

Ein Provokateur. Mitten auf dem Bebelplatz, auf der PDS-Kundgebung gegen den Krieg und für den Frieden. Steht da, mit Kinnbart und tief sitzender Hose, und schwenkt vor allen Leuten eine USA-Fahne. Und ist genervt: „Oh Mann, das ist keine Provokation. Die Fahne hängt verkehrt herum, das ist ein Zeichen des Protests!“

Der junge Mann ist aus Kiel und mit Freunden nach Berlin gereist, um gegen den Bush-Besuch zu demonstrieren. Mit Dreadlocks und Grunger-Klamotten sehen sie aus wie kritische Gymnasiasten und argumentieren auch so: Sie sind gegen den Krieg, gegen die „einseitige Globalisierung“, gegen Bushs Klimapolitik. Das mit der Fahne haben sie sich von der linksradikalen US-Rockband Rage against the machine abgekuckt. „Ein Amerikaner würde das verstehen“, sagen sie.

PDS-Chefin Gabi Zimmer auf der kleinen Bühne am Ende des Platzes ist derweil bemüht, den Eindruck des Antiamerikanismus zu zerstreuen: „Die PDS vertritt die Interessen der amerikanischen Bürger besser als der US-Präsident“, ruft sie ins Mikrofon. Bushs Politik setze auf Krieg, die PDS dagegen sei eine „konsequente Menschenrechtspartei“. Der rot-grünen Regierung wirft Zimmer „Feigheit vor dem Freund“ vor.

Solche Töne kommen an bei den gut 1.000 Zuhörern, die zu ihren Füßen heftig applaudieren. Beige gekleidete PDS-Mitglieder jenseits der 60 stehen gemeinsam mit bunthaarigen Teenagern, die Che-Guevara-Fahnen schwenken, Jugendliche mit Bongo-Trommeln haben Säcke an, auf denen „Make love not war“ zu lesen ist. Die FDJ hat auf ein blaugelbes Transparent „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ gemalt und weiß auch Namen: „Schröder, Fischer, Stoiber“. Überall zappeln rote PDS- und blaue Friedenstauben-Luftballons im Wind, am Stand des Neuen Deutschlands gibt es Gregor-Gysi-Kulis und Friedenstauben-Anstecker für einen Euro.

Stefan Liebich, der PDS-Landesvorsitzende, versucht gegen Ende der Kundgebung, das Fernbleiben der Berliner PDS-Senatoren zu rechtfertigen. „Auch ihre drei Stimmen stärken unser gemeinsames Anliegen: Kein Krieg nirgendwo!“, sagt Liebich.

Heinz Gerth, Rentner und PDS-Mitglied, hat Verständnis. Als Repräsentationspersonen müssten sich die Senatoren eben an die Spielregeln halten. Gerth selbst will aber öffentlich gegen die „Weltherrschaftsstrategien der USA“ auf die Straße gehen: „Da muss man doch demonstrieren, vor allem wir als Deutsche.“

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