■ Mord-Prozess: Zehn Stiche
Prozessauftakt im Fall Kurt Heinrichs: Die Staatsanwaltschaft wirft dem 31-jährigen Bernd S. vor, den 59 Jahre alten Kurt Heinrichs in dessen Wohnung ermordet zu haben. Als Tatmotive nannte der Vertreter der Staatsanwaltschaft, Stefan Wachsmuth, „Habgier, und um eine andere Straftat zu ermöglichen“. Gemeint ist damit der Raub von Heinrichs' Portemonnaie, Handy, Schlüsselbund und einer Gaspistole. Auf der Anklagebank der vierten Großen Strafkammer am Landgericht Bremen saß gestern morgen ein blasser, krank und abwesend wirkender Mann, der Mühe hatte, dem Prozessverlauf zu folgen. Er schlief mehrfach fast ein. Zum Zeitpunkt des Mordes war der Angeklagte drogenabhängig.
Der Mord geschah am 20. September vergangenen Jahres. Am Abend jenes Donnerstags fand Heinrichs' Freund und Partner Norbert L. – er kannte Heinrichs seit fast 25 Jahren – den blutüberströmten Ermordeten in dessen Wohnung in der Kleinen Annenstraße. Die Obduktion hatte ergeben, dass Heinrichs mit zehn Stichen verletzt worden war, einer davon hatte die Halsschlagader getroffen. Kurt Heinrichs verblutete.
Fataler Hang zum Trinken
Der vorsitzende Richter Helmut Kellermann befragte zunächst ausführlich den 61-jährigen Norbert L. Der sagte aus, Heinrichs habe einen „fatalen Hang zum Trinken“ gehabt. Er habe immer wieder Bekannte mit nach Hause gebracht und mit ihnen getrunken. „Kurt wollte gebraucht werden“, sagte sein Freund. „Zu ihm konnte man immer kommen, auch nachts“, so Norbert L. Ob unter diesen nächtlichen Besuchern auch der mögliche Täter gewesen sein kann, konnte er nicht sagen. „Kurt hat mir davon nichts mehr erzählt, weil er sich geschämt hat.“
Socke als Beweismittel
Da der Angeklagte bislang zu den Vorwürfen schweigt, scheint alles darauf hinauszulaufen, dass dieses Verfahren ein Indizienprozess wird. Die Staatsanwaltschaft nannte gestern unter anderem eine Socke und eine Urinprobe, die die Spurensicherung in der Tatwohnung sichergestellt hatte, als Beweismittel. Sie können dem Angeklagten per molekulargenetischer Untersuchung zugeordnet werden. Die genaue Beweisführung der Staatsanwaltschaft wird sich während der weiteren sieben angesetzten Verhandlungstage zeigen müssen.
Das Verbrechen hatte im vergangenen Jahr für Aufsehen gesorgt, weil die Polizei zunächst von einem „Mord im Schwulenmilieu“ ausging. Fest steht bisher nur, dass Kurt Heinrichs schwul war, aber nicht offen gelebt hat. Nach Aussage von Norbert L. scheint sich Heinrichs auch nicht in der schwulen Szene bewegt zu haben. „Da hat er sich vermutlich nicht mehr hingetraut. Er fand sich nicht mehr attraktiv“, sagte L. Auch konnte sich der Partner von Heinrich Partner nicht vorstellen, dass sein Freund sich „ab und zu Stricher vom Bahnhof geholt hat“, wie ein anderer Zeuge ausgesagt haben soll. Der Angeklagte hatte früher angegeben, nicht homosexuell zu sein. Ulrike Bendrat
Nächster Verhandlungstag: 3.6., 10 Uhr, Landgericht, Saal 218
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