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Irre bildende Marketing-Melange

■ Mit Truck, Quiz und Öko-Markt: Die Bundeszentrale für politische Bildung wird 50 Jahre alt

Eigentlich ist das die Firma mit den schwarz-rot-gerasterten Heftchen und den reclamheft-gleich layouteten Büchern, die uns umsonst als Lernhilfen zu Schul- und Unizeit gereicht wurden. Die Gestaltung der „Informationen zur politischen Bildung“ oder der sogenannten „Schriftenreihe“ der Bundeszentrale für politische Bildung (Bpb) entspricht ungefähr der eines Aktendeckels – Ödnis total.

Jetzt wird alles anders: Zum 50. Jubiläum präsentiert sich der staatliche Info-Apparat aus der schnuckeligen Ex-Hauptstadt Bonn ganz neu. Noch bis zum Samstag steht ein Info-Truck mit 460 PS und Tausenden Broschüren in Bremen. Info-Terminals blinken, Filmchen fördern das politische Verständnis, Interessenten können sich das Grundgesetz auf russisch mitnehmen – und am Bahnhof residierende Penner schmöckern angeregt in „Informationen zur politischen Bildung, Heft 241., Steuern und Finanzen“. Oder im „Heft 245, Der Ost-West-Konflikt.“

„Zur Gestaltung sage ich nichts“, betont Holger Emke von der Bpb. Viel lieber erzählt er von der „Präsentation einer gewandelten Bpb, die mehr junge Leute ansprechen will.“ Früher hätte sich die Bundeszentrale vorrangig an „Multiplikatoren“ gewandt, jetzt sei der „Endverbraucher“ dran.

Seit einer Evaluierung und seitdem Thomas Krüger Chef des Hauses ist, versucht die Zentrale, ihr Image zu entstauben. Das hat nicht nur damit zu tun, dass der SPD-Mann Krüger beim Bundestagswahlkampf Plakate im Osten Berlins kleben ließ, auf denen er beinah splitterfasernackt um Kreuzchen für seine Partei bat. Das hat damit zu tun, dass die Zentrale (220 Mitarbeiter, Etat: 38 Millionen Euro pro Jahr) zielgruppenorientierter arbeiten soll. Derzeit verschickt die Bpb bereits 300.000 Pakete mit geballtem Wissen pro Jahr für fast lau (1,50 Euro pro Buch). Die „Informationen“ zur Weimarer Republik, zur EU oder zum 17. Juni haben bereits eine Startauflage von einer Million Exemplaren, der Renner, das Heft „Türkei“, sogar sagenhafte 3,8 Millionen.

Aber die Bpb will offensichtlich mehr: zeitgemäßer werden. Eine Online- und eine Kulturabteilung wurden deshalb eingerichtet. Kulturmann Emke kooperiert mit der Bremer Shakespeare-Company, startet demnächst auf Viva eine Sendung mit Chaos-Regisseur Christoph Schlingensief oder trägt auch mal die Breakdance-WM aus.

Und auch an diesem Tag in Bremen gibt's eine irre bildende Marketing-Melange. Das Bpb-Quiz fragt, ob es eine „Elefantenhochzeit“, ein „Duell der Giganten“ oder doch eine „Große Koalition“ ist, wenn die beiden größten Parteien im Parlament die Regierung bilden. Dann fidelt die Folk-Truppe „Die Grenzgänger“ – ein gewöhnungsbedürftiges Völkchen aus Bremen. Später stellen sich direkt neben dem Bpb-Laster Stände auf, wo es selbstgebackene Vollkorn-Quiches und Öko-Lauch zu erstehen gibt – ein „nachhaltiger Bauernmarkt“, der auf den Agenda 21-Prozess hinweisen soll. Und am Samstag geht's weiter mit Live-Sketchen und dem „Theaterlabor Bielefeld“. Um 18 Uhr wird abgebaut. Nächster Stopp, ab 29. Mai, ist Hamburg. ksc

www.bpb.de

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