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Gift ab jetzt in allen Trögen

Ein Futtermittelhersteller soll verseuchtes Tierfutter in Umlauf gebracht haben. Betroffen sind auch Rinder und Schweine

von NICK REIMER

„Wir liefern Mischfutter von höchster Qualität.“ Mit diesem Slogan wirbt der niedersächsische Futtermittelproduzent GS agri für seine Produkte. Glaubt man dem niedersächsischen Landwirtschaftsminister, ist dieser Spruch der 1907 gegründeten Genossenschaft aber völlig unbegründet: Uwe Bartels (SPD) hatte am Dienstag die Firma beschuldigt, trotz positiver Testergebnisse weiterhin nitrofenbelastetes Getreide an Biobetriebe verkauft zu haben – „wissentlich“, insgesamt 550 Tonnen. Und: Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass noch mehr und auch konventionelles Futter betroffen ist.

Dagegen wehrte sich gestern GS agri. „Zu keinem Zeitpunkt wissentlich“, erklärte Geschäftsführer Paul Römann, habe man belastetes Futter verkauft. Der Jahresumsatz der GS agri wird mit 72,5 Millionen Euro beziffert. Nur zehn Prozent werden mit Biofuttermitteln erwirtschaftet, Hauptabnehmer sind die 19 Naturland- und 5 Bioland-Betriebe, die vertraglich an die niedersächsische Wiesengold Landei GmbH gebunden sind. Auch ein Gäa-Mitglied ist Abnehmer. Die von Bartels genannte Menge sei „weit überhöht“, konventionelles Futter könne nicht betroffen sein. Römann: „Das konventionelle Futter wird in einer Mühle hergestellt, zehn Kilometer von der Bioproduktion entfernt.“

Eine der beiden Seiten irrt. Klar ist seit gestern nur: Die GS agri hat „nicht nur Geflügelbetriebe, sondern auch einige wenige Schweine- und Rindermastbetriebe beliefert“, erklärte der niedersächsische Agrarstaatssekretär Dietmar Schulz. Die betroffenen Ökobetriebe zählen zu jenen 107 Kunden der GS agri, deren Produkte gesperrt sind.

Um das Ausmaß der Verseuchung präzise ermitteln zu können, muss die Quelle des Nitrofen gefunden werden. „Wesentlich zur Aufklärung beitragen muss das Labor: War das Nitrofen im, oder haftete es am Getreidekorn“, so Wohlert Wohlers, Sprecher der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA). Experten glauben aber nicht, dass das Nitrofen übers Feld in den Kreislauf gebracht wurde. „Für einen Hektar braucht der Bauer 6 Kilo Nitrofen. Der gleiche Effekt lässt sich mit 10 bis 100 Gramm eines anderen Pflanzenschutzmittels erzielen“, so Christlieb Hemmerling, Laborleiter beim Brandenburger Landesamt für Verbraucherschutz. Nach Angaben von Wohlers würden dagegen bereits 3 Kilo Nitrofen die angegebene Menge Futter verseuchen.

Bis 1990 wurden nitrofenhaltige Herbizide in Bitterfeld unter drei Handelsnamen hergestellt: Namedit (enthält 18,4 Prozent Nitrofen), Plantolin und Trizilin. In der Bundesrepublik seit 1981, in der EU seit 1988 verboten, wird es auch dort nicht mehr hergestellt. Als Ursache bleibe „wohl nur die offene Flanke von Getreideimporten aus Osteuropa“, erklärte Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands. BBA-Sprecher Wohlers warnte aber davor, immer nur Richtung Osten zu gucken. „Nehmen wir an, der Enkel erbt einen Hof. Er greift im Lager nach der Substanz, mit der sein Großvater vermeintlich das Getreide immer beizte – also gegen Schädlinge resistent machte. Nur: Der Enkel greift nicht zur Beize, sondern zum Nitrofen, von dem vor 15 Jahren das Etikett abgefallen ist. Schon haben Sie den Skandal.“

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