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Krank durch zu viele Gifte im Haushalt

World Wildlife Found und Verbraucherzentrale warnen vor gefährlichen Stoffen im Haushalt und geben Tipps

BERLIN taz ■ Durch ihre hormonelle Wirkung beeinträchtigen Schadstoffe in Lebensmitteln, Haus und Garten die Fortpflanzungsfähigkeit – und das schon in geringer Konzentration. Aber auch Störungen des Immunsystems und Krebs können die Folge sein. Das gilt auch für Nitrofen, das jetzt in ökologisch angebautem Getreide gefunden wurde. World Wildlife Found (WWF) und Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen traten nun mit den Ergebnissen einer neuen Studie zur hormonellen Auswirkung von Umweltgiften an die Öffentlichkeit (www.wwf.de/naturschutz/umweltgifte/index.html).

Viele der untersuchten Wirkstoffe zur Schädlingsbekämpfung sind – wie Nitrofen – in der Landwirtschaft bereits verboten, dürfen in Wohnungen und Gärten jedoch legal angewandt werden. Doch die Mittel gegen Motten in Teppichen, Kopf- und Blattläuse oder auch Holzschutzmittel greifen in den Hormonhaushalt von Mensch und Tier ein und beeinträchtigen wichtige Lebensfunktionen. „Besonders ungeborene und kleine Kinder sind gefährdet“, warnt Patricia Cameron vom WWF. Denn in den frühen Lebensphasen laufen viele hormongesteuerte Entwicklungen ab, etwa die Ausbildung der Geschlechtsorgane.

Cameron betont, dass sich in Deutschland mehr der gefährlichen Stoffe finden als in anderen europäischen Ländern. 521 Tonnen der Schadstoffe wurden im Jahr 2000 in privaten Häusern und Gärten Deutschlands eingesetzt, davon allein 70 Tonnen in Innenräumen. Einer der Giftstoffe sind die Pyrethroide – in privaten Haushalten etwa gegen Motten in Teppichen verwendet. „Das Teppichwollsiegel schreibt den Einsatz von Pyrethroiden vor, obwohl er in der Landwirtschaft verboten ist“, sagt Patricia Cameron.

Gefährlich wirkt auch Lindan. In der Landwirtschaft ist der Wirkstoff zwar bereits verboten. Doch obwohl er schwer abbaubar ist, das Erbgut schädigt, Brustkrebs verursacht und die Spermienproduktion hemmt, findet er sich etwa noch in Anti-Läuse-Mitteln für Kinder – in Jakutin. Die Mitarbeiter des WWF fordern deshalb ein allgemeines Verbot von Lindan.

Doch Verbote sind nicht die einzige Strategie, um den gefährlichen Stoffen beizukommen. Auch das Vorsorgeprinzip müsse verstärkt zum Einsatz kommen: ein Überprüfungs- und Überwachungsprogramm im Rahmen der EU. Susanne Smolka vom WWF: „Diese Chemikalien müssen so schnell wie möglich in die Produkt- und Werkstoffprüfung eingebunden werden.“

Zentral ist laut Smolka auch, die Aufklärung der Bevölkerung zu verbessern: „Gerade im Bereich der Pestizide und Biozide gibt es in Deutschland eine ziemlich restriktive Informationspolitik.“ Das gelte auch für Industriechemikalien insgesamt, hier agiere die Bundesregierung geradezu gegen eine transparente Informationspolitik. „Man will den Standort Chemieindustrie in Deutschland nicht gefährden“, kritisiert Patricia Cameron.

Das Drama einer solchen Politik nach dem Motto „Schweigen bringt Gold“ hat gerade erst der Nitrofen-Skandal gezeigt. Allerdings gibt Joachim Dullin von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen auch konkrete Tipps zum sinnvollen Umgang mit den Giftstoffen, wenn es denn gar nicht anders geht. Es sind vor allem solche Produkte zu vermeiden, die diffus in Haushalt oder Umwelt verteilt werden: Sprays, Verdampfer oder Flohhalsbänder, deren Puder oft über die ganze Wohnung verstreut wird. „Es sollten daher Produkte eingesetzt werden, die den Gifteinsatz örtlich begrenzen, z. B. Lockstofffallen oder Fraßköder wie bei Ameisen.“

JÜRGEN SCHULZ

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