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Im Juni der Bauer viel Kohle verliert

72 Tonnen aus Malchin sind schuld, dass 50.000 Tonnen Futtermittel verseucht wurden. Es büßen die Landwirte

BERLIN taz ■ Allein im Nordosten Deutschlands sind 399 Landwirtschaftsbetriebe geschlossen. Zählt man die in Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen hinzu, kommt man auf etwa 500. Aber was heißt schon geschlossen: Die Bauern müssen natürlich weiter in den Stall und aufs Feld. Sie bekommen dafür nur keinen Lohn. Gesperrt heißt: Verkaufsverbot. Erst, wenn die Laborproben über einen längeren Zeitraum ein negatives Nitrofen-Testergebnis vorweisen können, arbeiten die Bauern nicht mehr für umsonst.

„Schuld“ an der Ausweitung der Nitrofenkrise sind nach Erkenntnissen des Mecklenburger Landwirtschaftsministeriums 72 Tonnen Getreide, die in der Malchiner Halle lagerten und dann von der Norddeutschen Saat- und Pflanzgut AG an das Futtermittelwerk Fugema geliefert wurden. Dort wurden sie mit 6.000 Tonnen Getreide vermischt und zu 50.000 Tonnen konventionellem Futtermittel für Schweine, Hennen und Rinder verarbeitet.

In einer Rückstellprobe aus dieser Charge wurde nun Nitrofen in einer Konzentration von 0,36 Milligramm pro Kilogramm festgestellt. Der Grenzwert für das Pflanzenschutzmittel liegt bei 0,01 Milligramm pro Kilogramm. Da ist also die Ausweitung des Skandals auf die konventionelle Landwirtschaft.

Die Fugema sieht sich von ihrem Zulieferer betrogen. NSP habe Fugema den verseuchten Weizen „untergeschoben“, meinte Fugema-Geschäftsführer Jochen Buchholz und drohte der Landhandelsfirma mit Klage. Aber das sind nur Randgefechte.

„Es ist eine dramatische Situation“, sagt Schwerins Landwirtschaftsminister Till Backhaus, der alles tun will, um den ohnehin „immens hohen wirtschaftlichen Schaden“ zu begrenzen. Etwa den Personalstaab der Soko Nitrofen vonLandeskriminalamt und Landwirtschaftsministerium verdoppeln – auf jetzt 40.

Dramatisch wird es zunehmend aber auch für Renate Künast. Vor anderthalb Jahren mit dem Ziel angetreten, Landwirtschaftspolitik mit neuen Prioritäten, einer neuen, nachhaltigen Orientierung zu machen, steckt die Verbraucherministerin jetzt in der BSE-Klemme. Modellregionen, Ökolandbaugesetz, Biosiegel oder das so genannte Modulationsgesetz zur Agrarförderung – Renate Künast hat auf der Bauernseite sicherlich viel für ihr Ziel von 20 Prozent Ökolebensmittel vorzuweisen. Absehbar wird sie jetzt jedoch politisch hauptsächlich mit Krisenmanagement beschäftigt bleiben.

NICK REIMER

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