piwik no script img

Aufbruchstimmung und Siegeswille

Der Mittelbau der CDU sonnt sich in neuer Geschlossenheit: Wie gut der Kandidat aus Bayern zu ihr passt!

FRANKFURT/MAIN taz ■ Im Foyer der Frankfurter Messehalle ist gehobener Jahrmarkt. Industrie und Lobby-Verbände verteilen reichlich Süßigkeiten. Justus Schieback vom hessischen Landesvorstand der Vertriebenen und Flüchtlinge in der Union (OMV) vertritt seine Meinung vorsichtig, mit langen Pausen, sozusagen zum Mitschreiben. Nie, sagt er verwundert, sei die Zusammenarbeit zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU so gut gewesen: „Das habe ich in den vergangenen Jahrzehnten noch nie so erlebt.“ Und wie, meint er, haben Merkel und Stoiber das geschafft? „Es scheint, dass die Aufregungen und Eitelkeiten für ein gemeinsames Ziel zurückgestellt wurden.“ Der Hauptgeschäftsführer der Christdemokratischen Arbeitnehmer (CDA) von der anderen, der linken Seite der Union, Ulrich Hettinger, hat eine eigenwillige Erklärung für das neue Wir-Gefühl in der Partei. Vorsitzende und Kandidat seien „sehr ähnliche Typen, nüchtern, sachlich, erfolgsorientiert“, eben „straight on the point“. Solche Charaktere, denkt er, „können sich gut arrangieren“.

Und woher kommt die Siegesstimmung, die den Parteitag nach den Jahren eher desolater Befindlichkeit erfasst zu haben scheint? Schieback sieht das so: „Das Erscheinungsbild der derzeitigen Bundesregierung, die offensichtlichen Schwierigkeiten bei der Verwirklichung der seinerzeit verkündeten Ziele geben Anlass zum Optimismus.“ Hettinger sieht das genauso, formuliert aber knapper: „Weil der Schröder eine grottenschlechte Politik macht!“

Die Antisemitismus-Diskussion, die Aufregung um FDP-Vize Möllemann hält Hettinger für „verunglückt, ärgerlich, die völlig falsche Bahn“. Sie habe der rot-grünen Regierung „eine Schonfrist“ verschafft und von den „eigentlichen Problemem abgelenkt“. Das Parteipogramm geht ihm als Negativkatalog aus Arbeitnehmersicht flott von den Lippen: „Über vier Millionen Arbeitslose, finanziell strangulierte Kommunen und ein ruiniertes Gesundheitssystem.“ Meinungsumfragen seien ihm da „so ziemlich egal“. Schieback sieht zwar „Schaden“, setzt aber weiter auf eine Koalition mit der FDP, „wenn die Schnittmenge stimmt“.

Der Stand der Jungen Union (JU) ist „der Renner“ in der Halle. Zwischen Sand und blauen Plastikwellen schaukeln rote Badeentchen: „am 22.09 gehen die roten baden“. Ein Papp-Schröder in Langzeitferien posiert mit Hula-Kranz um den Hals. Sprecher Sidney Pfannenstiel sieht Stoiber auf der Siegerstraße, denn: „Es ist die Zeit für einen starken Mann.“ Mit der „bombastischen Euphorie“ der Delegierten habe er trotzdem nicht gerechnet. Zum potenziellen Koalitionspartner FDP will die JU keine Position beziehen, aber: „Hätte sich der Möllemann doch besser nur um Pfandflaschen gekümmert!“ Pfannenstiel zitiert auf dem Getränkesektor lieber das JU-Werbematerial mit dem Espresso-Tütchen: „Der starke Schwarze mit dem hellen Kopf“. Die roten Enten gehen weg wie warme Semmeln. HEIDE PLATEN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen