piwik no script img

Sehen, wo Rudis Mannen mauern

Jubelzonen, neue Großbildleinwände: Berlin ist für den vierten deutschen Fußballweltmeistertitel und den Andrang der Fans in der Innenstadt vorbereitet. Jetzt muss Miroslav Klose nur noch gegen die Brasilianer treffen

Dem Regierenden hat es die eigene Planung für einen Japantrip verhagelt (siehe oben), ganz auf den Kick mit dem Kick will die rot-rote Formation um Klaus Wowereit aber nicht verzichten: Pünktlich zum Anpfiff des WM-Finales gönnt sie sich eine ausgiebige Pause und mischt sich im Sony-Center unters Volk. Dort rechnet die Polizei wie bei den letzten Spielen mit tausenden Fans, die sich um die eher bescheidenen 12 Quadratmeter TV-Leinwand drängen. Und nicht nur dort: Teile von Ku’damm und Tauentzien wurden vorsorglich als „Jubelplattform“ für motorisierte Freudenkorsos deklariert. „Je nach Spielergebnis“ werden bis zu 10.000 Fans erwartet, neun Hundertschaften müssen an diesem Wochenende Zusatzschichten schieben, vor langwierigen Staus in der City-West wird eindringlich gewarnt.

Wer nicht regiert, kann ausgiebiger feiern. CDU-MdB Siegfried Helias hat das Charlottenburger Mommsen-Stadion angemietet und spendiert fässerweise Freibier. Sein Unions- und Bundestagskollege Volker Liepelt bleibt bodenständiger und lässt sich „mit Fußballfans aus dem Kiez“ in der Moabiter Kneipe „Fußballtreff“ nieder. So viel hinterzimmerliche Bierseligkeit ist den Grünen erwartungsgemäß suspekt. Angeführt von Verbraucherministerin Renate Künast jubelt die vorderste Berlin- und Bundesriege im Tipi neben dem Haus der Kulturen der Welt. Gleich gegenüber hat der Türkische Bund ein Zelt aufgestellt und benutzt die Endspielübertragung als Lockvogel für eine Veranstaltung zur Umweltsensibilisierung, auf der türkische Griller ein Mülltrennungstraining erhalten.

Wer die Leidenschaft der Massen lieber hoch über derselben und ihren sommerlichen Gerüchen genießt, sollte am Samstag um 10 Uhr die 25 29 43 72 wählen: DaimlerChrysler stellt zwei Bildschirme auf die Aussichtsplattform des Kollhoff-Gebäudes am Potsdamer Platz und verlost 20 Freikarten. Aber auch völlige Ballverweigerer und Sonntagseltern kommen auf ihre Kosten. Die hauptstädtischen Tiergärten locken mit einem regelrecht fußballfeindlichen Angebot: Zoo, Tierpark und Aquarium bitten die ersten 10.000 Besucher zum Kindereintrittspreis herein.

Und die Brasilianer? 2.000 leben offiziell in der Hauptstadt, aber die Botschaft in der Wallstraße lässt nur 70 Mitarbeiter nebst Familie vor ihrer Leinwand Rivaldo und Co. die Daumen drücken. Alle übrigen werden sich an einschlägige Adressen wie das Muvuca im Kreuzberger Mehringhof oder das Taba in der Torstraße halten. Unser Rat: Im Garten des ethnologischen Museums in Dahlem hat das brasilianische Kulturinstitut die Cachaça schon vorgekühlt. Hier läuft das Finale auf dem grün-gelben Johannisfest, der Festa Junina.

War da noch was? Richtig, das Spiel um den dritten Platz. Der SFB-Weltmusiksender Radio Multikulti hat sich etwas ganz Besonderes dafür ausgedacht: „Zum ersten Mal“ überträgt man aus der Masurenallee eine „zweisprachige Sportsendung mit Wunschmusik auf deutsch und türkisch.“ Und die Multikulti-Reporter melden sich live aus dem Sony Center und türkischen Fußballerkneipen. DPA/DDP/TAZ

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen