: Streckenweise depressiv
„Manche Lyriker sind schon sehr eigen“: Peter Köhn fotografierte 26 Hamburger Dichterinnen und Dichter. Die sehr unterschiedlichen Porträts sind bis Oktober auf der Cap San Diego zu sehen
Interview: STEFANIE RICHTER
Ein Jahr lang hat der Fotograf Peter Köhn 26 so unterschiedliche Hamburger LyrikerInnen wie Peter Rühmkorf, Yoko Tawada, Mirco Bonne und Mariola Brillowska porträtiert. Im Rahmen der 2. Hamburger Triennale der Photographie werden die Bilder nun zusammen mit einer Auswahl von Gedichten auf der Cap San Diego ausgestellt. Bei der heutigen Eröffnung werden einige der porträtierten Lyrikerinnen und Lyriker aus ihren Werken lesen. Mit dem Künstler sprachen wir über den Zusammenhang von Fotografie und Lyrik.
taz hamburg: Wie bist du darauf gekommen, Hamburger Lyriker zu portraitieren?
Peter Köhn: Ich war letztes Jahr im Sommer beim Lyrik-Wettbewerb „Open Mike“ auf dem Gänsemarkt. Was mir da an den Dichtern aufgefallen ist: Sie können ihre Texte nicht vortragen, wollen schnell wieder weg von der Bühne, stehen hilflos in der Gegend rum. Oder sie sind voller Inbrunst in ihre Texte versunken.
Und warum hat dich das so angesprochen?
Lyriker und Fotografen haben etwas gemeinsam: Wir haben alle Bilder im Kopf, und die sollen aufs Papier. Die zweite Gemeinsamkeit ist, dass man sich auf das Wesentliche konzentriert, der Dichter zum Beispiel beschränkt sich auf wenige Worte.
Inwiefern arbeitet deine Fotografie mit Verdichtung?
Ich finde, Farbe ist geschwätzig. Deshalb fotografiere ich nur schwarz-weiß. Grundsätzlich habe ich immer ein gleich bleibendes Thema, egal, was ich fotografiere. Nämlich: Das Auge ist blind für das, was der Geist nicht sieht. Mit anderen Worten, was nützt es, scharfe Bilder zu machen, wenn man unscharfe Gedanken hat.
Und was, meinst du, treibt die Dichterinnen und Dichter an?
Bis auf einige Ausnahmen sind die Lyriker sehr in sich gekehrt. Ich glaube, der Motor des Schreibens ist das Leid. Das ist nicht wertend gemeint. Ich würde jetzt nicht sagen, dass alle leiden und fertig sind.
Es fällt auch auf, dass auf deinen Portraits kaum jemand lächelt.
Ja, sie waren schon alle sehr ernst. Streckenweise depressiv. Aber was soll ich tun?
Wie verlief denn deine Zusammenarbeit mit den Dichtern?
Ich versuche immer erstmal, ins Gespräch zu kommen und dann die Idee für das Foto zu entwickeln. Mit vielen war das genial. Nur bei den Profis, da musste immer alles ganz schnell gehen. Zack zack und tschüs.
Wo hast du sie aufgenommen?
Peter Rühmkorf lässt sich meistens in diesem Kuddelmuddel-Zimmer fotografieren. Bei Frau Hahn ist es immer das Arbeitszimmer von ihrem Mann, Klaus von Donnahnyi. Gerhard Neumann ist der einzige, der vor einem Bücherregal steht. Das wollte ich auch weitgehend vermeiden. Aber seine Wohnung war eben so, da gab es überall nur Bücherregale.
Wonach entscheidest du, wer bei deiner Ausstellung neben wem hängt?
Im Laufe des Jahres habe ich gemerkt, dass manche Lyriker doch sehr eigen sind mit ihrem Werk, was ich inzwischen verstehen kann. Jetzt kriegt jeder eine eigene Wand. Außerdem hänge ich nach Alphabet. Das sind alles Vorsichtsmaßnahmen.
Klingt ja anstrengend.
Menschlich war das Projekt schon eine Herausforderung. Und wenn man mich jetzt fragen würde, ob ich nochmal Lyriker fotografiere in einer anderen Stadt, würde ich wahrscheinlich nein sagen.
Hamburger Lyrikerinnen und Lyriker: Foto-Ausstellung auf der Cap San Diego. Eröffnung mit Lesung heute, 19.15 Uhr. Geöffnet täglich 10–18 Uhr; bis 13. Oktober.
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