cdu-sozialprogramm: Eintopf ohne Sozialeinlage
Im Team von Kanzlerkandidat Stoiber ist nun Horst Seehofer für die Sozialversicherungen zuständig. Damit plant er für ein Beitragsvolumen, das den Umfang des Bundeshaushaltes noch um die Hälfte übersteigt. Kein Politikfeld sonst betrifft so viele Menschen wie die Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung. Alle drei Systeme der sozialen Sicherheit stehen vor mehr oder weniger akuten Finanzierungs- und Strukturproblemen. Da muss eine „Offensive“, wie Seehofer sie bei der Aufnahme in Stoibers Kompetenzteam umrissen hat, hohen Ansprüchen gerecht werden.
Kommentar von D. BARTZ und H. OESTREICH
Doch dafür sind seine Pläne erschreckend oberflächlich. Nicht nachzuvollziehen ist die Behauptung, dass der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung durch bessere Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik um einen Prozentpunkt fallen könne. Die Finanzierung des Familiengeldes steht in den Sternen. Wohlweislich verzichtet Seehofer denn auch auf konkrete Zahlen.
Besser kennt sich der Exbundesgesundheitsminister in seinem alten Ressort aus. Alle – von ihm selbst einst erfundenen – Budgetierungen will er loswerden. Bürokratie will er abbauen, doch er selbst hat den Risikostrukturausgleich mit seinen Fehlsteuerungen zu verantworten. Wie er mehr Wettbewerb in das erstarrte System bringen will, verschweigt Stoibers „Herkules“. Rot-Grün wirft er eine Zwei-Klassen-Medizin vor, während er sie auf andere Weise selbst fordert, indem er für unterschiedliche Beiträge unterschiedliche Leistungen anbieten will.
In der Rentenpolitik schließlich kann Seehofer höchstens von der schlechten „Performance“ Riesters profitieren. Sachlich fällt ihm wenig und höchstens Schlechteres ein. Ob man nun Riesters Ausgleichsfaktor verteufelt und den demografischen Faktor dafür einführt: auf dem Rentenkonto kommt exakt dasselbe dabei heraus. Dafür will Seehofer die Ausfälle durch die eingefrorene Ökosteuer aus dem Staatssäckel finanzieren – wie so vieles. Die sozialen Elemente wie etwa die Grundsicherung, die Arbeitsminister Riester einbaute, will die Union schlicht abschaffen.
Nicht alles anders, aber vieles besser wollte die SPD einst machen. Die Union nun macht vieles gleich und manches schlechter. Nur wird Herr Seehofer dazu in jeder Lebenslage den „Herkules“ geben. Ein frohes Gesicht zur ähnlichen Eintopfpolitik, nur ohne Sozialeinlage: Das wird dann die eigentliche Alternative in der Sozialpolitik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen