: Keine „gläsernen Abgeordneten“
Union und FDP gegen mehr Transparenz bei Abgeordneteneinnahmen. Grüne vor allem mit sich selbst beschäftigt
BERLIN taz ■ Die Oppositionsfraktionen CDU/CSU und FDP wollen einer Verschärfung der Offenlegungspflicht für Nebeneinnahmen von Abgeordneten vor der Bundestagswahl nicht zustimmen. Der FDP-Politiker Jörg van Essen lehnte den entsprechenden Änderungsantrag der rot-grünen Koalition ab und sprach von einem „Kartell von Gewerkschaftsfunktionären und Lehrern“, die zunehmend bürokratischere Regelungen für Abgeordnete verlangten. Seiner Meinung nach haben sich die bestehenden Regelungen bewährt.
Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) warf SPD und Grünen vor, „blanken Aktionismus zu veranstalten, weil Herr Özdemir und Herr Scharping Geld von Herrn Hunzinger bekommen haben“. Das sei aber „das Problem von Rot-Grün und nicht mein Problem“. Nach der Wahl sei auch die Union zu Änderungen bereit. „Ich bin aber dagegen“, sagte Bosbach der taz, „dieses komplizierte Vorhaben jetzt schnell noch im Hauruckverfahren durchzudrücken.“
Die SPD hatte am Dienstag angekündigt, dass sie die Änderungen bei den Verhaltensregeln für Abgeordnete Mitte September verabschieden wolle. Die vorher notwendige Anhörung soll bereits am 26. August stattfinden. Ob der Termin zustande kommt, wird heute bei einer Sondersitzung des zuständigen Geschäftsordnungsausschusses beraten.
Nach den neuen Vorschriften müssten Parlamentarier künftig alle Nebeneinkünfte, Tätigkeiten und Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften im Bundestagshandbuch offen legen – und nicht nur wie bisher dem Bundestagspräsidenten anzeigen. Auch im Internet sollen die Angaben einsehbar sein.
Doch sosehr SPD und Grüne auch betonen, dass sie damit für mehr Transparenz sorgen wollen: Eine Revolution ist nicht geplant. „Die vorliegenden Änderungen zielen nicht auf die Schaffung des ‚gläsernen Abgeordneten‘, der seine gesamten persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnisse offen zu legen hat“, heißt es in der schriftlichen Begründung des rot-grünen Antrags. Wer als Rechtsanwalt arbeitet, muss auch künftig nicht angeben, welche Mandanten er betreut. Ein Zahnarzt muss nicht verraten, wem er ein neues Gebiss verpasst. Die neuen Vorschriften zielen nur auf „Tätigkeiten, die ein Abgeordneter neben dem Beruf und dem Mandat ausübt“.
Der FDP-Politiker van Essen sieht trotzdem vor allem die Rechte Selbstständiger in Gefahr. „Es dürfen für Freiberufler keine weiteren Hindernisse aufgebaut werden, in den Bundestag einzuziehen“, sagte van Essen dem Handelsblatt. Dem hielt der SPD-Abgeordnete Christian Lange entgegen: „Für den Abgeordneten ändert sich nichts, weil es nur um die Veröffentlichung jener Informationen geht, die er heute schon anzeigen muss.“ Aber bisher eben nur gegenüber dem Bundestagspräsidenten.
SPD und Grüne erhoffen sich von den neuen Vorschriften Verbesserungen: „Für den Bürger ist in Zukunft transparent, ob ein Abgeordneter während seines Mandats durch Verträge über Beratung, Vertretung oder ähnliche Tätigkeiten gebunden ist.“
Die Grünen wollen auf ihrer heutigen Fraktionssitzung erst einmal intern klären, ob nicht doch noch weitere Abgeordnete Kontakte zu Lobbyisten oder PR-Beratern hatten. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Cem Özdemir, ist unterdessen in neue Erklärungsnöte geraten. Laut Informationen von Focus online hat Özdemir an einer weiteren Veranstaltung des Frankfurter PR-Unternehmers Moritz Hunzinger teilgenommen. Beim „Parlamentarischen Abend der Thiel Logistik AG“ am 11. Juni in Berlin saß Özdemir in der von Hunzinger organisierten Podiumsrunde. Özdemir gab gegenüber Focus online an, dass er für die Veranstaltung kein Honorar erhalten habe. Bislang hatte Özdemir lediglich über seine Teilnahme an einer Veranstaltung der Firma Microsoft berichtet, die ebenfalls von Hunzinger organisiert wurde. LUKAS WALLRAFF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen