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Für Bush gibt es nur eine Option

Das Drehbuch der US-Regierung für ihre Verhandlungen mit Irak ist nach Meinung eines Vertrauten Kofi Annans „eindeutig auf ein Scheitern angelegt“

„Wenn das so weitergeht, ist der Krieg nur noch eine Frage der Zeit.“

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Die Erklärungen aus Berlin und den EU-Hauptstädten (mit Ausnahme Londons) lauten immer gleich: „Wir wollen keinen Krieg gegen Irak. Wir bevorzugen eine politisch-diplomatische Lösung des Konflikts im Rahmen der UNO. Generalsekretär Kofi Annan hat unsere volle Unterstützung für seine Verhandlungsbemühungen. Die UNO-Waffeninspekteure müssen ihre Arbeit im Irak wieder aufnehmen.“

So reagieren diese Regierungen nun schon seit Oktober 2001 auf Fragen nach ihrer Haltung zu einem eventuellen Krieg gegen Irak – seit hochrangige Vertreter der Bush-Administration erstmals über eine angebliche Mitverantwortung Bagdads für die Terroranschläge vom 11. September spekulierten und die Option eines Krieges gegen Irak in die öffentliche Diskussion brachten. In Moskau äußern Mitglieder der Regierung Putin gelegentlich Warnungen vor einem „Alleingang der USA“ und mahnen an, militärische Maßnahmen gegen Irak dürften nur „nach vorheriger Zustimmung des UNO-Sicherheitsrates“ erfolgen.

Doch all diese Beteuerungen und Warnungen sind bislang kaum mehr als heiße Luft. Bis heute haben die Regierungen Europas und Russlands kaum etwas dafür getan, damit eine „politisch-diplomatische“ Lösung auch nur eine echte Chance erhält. UNO-Generalsekretär Annan wurde bei seinen Bemühungen „von den Europäern und Russen bislang völlig allein gelassen“, kritisiert ein enger Vertrauter Annans im New Yorker UNO-Hauptquartier. Für seine Verhandlungen mit dem irakischen Außenminister Nadschi Sabri hat Annan nach wie vor nur ein einziges Drehbuch. Es wurde ihm von Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice Anfang des Jahres „buchstäblich in die Feder diktiert“, erinnert sich der Vertraute des UNO-Generalsekretärs. Dieses Drehbuch der US-Regierung sei „eindeutig auf ein Scheitern angelegt“. Washington sei „überhaupt nicht daran interessiert, dass eine Übereinkunft mit Bagdad über die Rückkehr der UNO-Waffeninspekteure in den Irak zustande kommt“.

Das von Rice diktierte Skript enthält eine Reihe von „unverhandelbaren“ Festlegungen, die für das Regime in Bagdad – bei aller inzwischen mehrfach erklärten grundsätzlichen Akzeptanz einer Rückkehr der UNO-Inspekteure – völlig unakzeptabel sind. Zu den größten Hürden für eine Übereinkunft zwischen der UNO und Bagdad gehört nach Auskunft irakischer UNO-Diplomaten die Forderung Washingtons nach Open-end-Inspektionen.

Ähnlich wie in der von Washington geprägten Waffenstillstandsresolution vom März 1991, mit der nach dem Golfkrieg die erste UNO-Sondermission im Irak (Unscom) beschlossen wurde, soll auch für die Arbeit künftiger UNO-Waffeninspekteure keinerlei Zeitrahmen festgelegt werden. Bagdad, so die Vorgabe Washingtons für Annans Verhandlungen mit dem irakischen Außenminister Sabri, dürfe auch weiterhin keine Perspektive für eine eventuelle Lockerung oder gar die völlige Aufhebung der Wirtschaftssanktionen erhalten.

Sabri hat bei seinen bislang drei Verhandlungsrunden mit Annan keineswegs die Auflockerung bzw. Aufhebung der Sanktionen oder auch nur eine entsprechende Zusage zur Vorbedingung gemacht für die Rückkehr der Inspekteure. Entsprechende Behauptungen aus Washington und London sind falsch. Allerdings hat Sabri eine zeitliche Perspektive verlangt, wonach der UNO-Sicherheitsrat zu einem noch festzulegenden Zeitpunkt (zum Beispiel nach sechs Monaten intensiver und örtlich uneingeschränkter Inspektionen) zumindest einen ersten offiziellen Zwischenbescheid veröffentlicht – mit klaren Aussagen, in welchem der von der Waffenstillstandsresolution vom März 1991 erfassten Rüstungsbereiche (atomare, chemische und biologische Waffen sowie ballistische Raketen) der Irak seine Auflagen erfüllt hat, wo nicht und wo noch Fragen bestehen. Je nachdem, wie positiv der Bescheid ausfalle, müssten die Sanktionen gelockert oder ganz aufgehoben werden, forderte Sabri bei seinen Verhandlungen mit Annan.

Die zweite große Hürde für eine Vereinbarung zwischen der UNO und Irak ist die (von der Regierung Blair unterstützte) Forderung der Bush-Administration, das künftige Inspektorenteam solle zum Großteil aus US-amerikanischen und britischen Bürgern bestehen, darunter je nach Gutdünken Washingtons und Londons beliebig viele Militärs und Geheimdienstler. Bagdad hingegen verlangt eine „ausgewogen multilaterale“ Zusammensetzung. US-Bürger und Briten dürften dem Inspektorenteam „zwar angehören, aber keine dominante Rolle spielen“. Militärs und Geheimdienstler will Bagdad ganz ausschließen.

Das irakische Regime beruft sich bei dieser Forderung auf die „schlechten Erfahrungen“ mit der Unscom zwischen 1991 und 1998. Zumeist als Zivilisten getarnte US- und britische Militärs und Geheimdienstler hatten ihre Funktion als Mitglieder der Unscomfür Spionagezwecke missbraucht und Ziele für spätere britisch-amerikanische Luftangriffe ausgekundschaft.

Bagdad wünscht keine „dominante Rolle“ der USA im einemUN-Inspektorenteam.

Welche Maßnahmen trifft der UNO-Sicherheitsrat, um derartigen Missbrauch einer UNO-Mission künftig auszuschließen? Welche Garantien kann die UNO dem Irak dafür geben? Auf diesen Komplex beziehen sich eine Reihe der – bis heute unveröffentlichten –19 Fragen, die Iraks Außenminister Sabri bereits bei der ersten Verhandlungsrunde mit Kofi Annan im Januar an den UNO-Generalsekretär übergab mit der Bitte um „möglichst baldige Beantwortung durch den Sicherheitsrat“. Andere Fragen beziehen sich darauf, welche Beweise dem Sicherheitsrat vorliegen für die von der Bush-Administration zunächst behauptete Verbindung zwischen Bagdad und den Terroranschlägen vom 11. September sowie für neue verbotene Aufrüstungsmaßnahmen Iraks, über die Washington und London angeblich geheimdienstliche Erkenntnisse haben.

Doch die Bush-Administration hat entschieden, dass Bagdad auf die im Januar vorgelegten Fragen an den Sicherheitsrat keine Antwort erhält. Da keines der anderen 14 Ratsmitglieder der Haltung Washingtons widersprach, kann auch Annan dem irakischen Außenminister nur mit leeren Händen entgegentreten. „Wenn das so weitergeht, ist der Krieg der USA gegen Irak nur noch eine Frage der Zeit“, lautet eine im New Yorker UNO-Hauptquartier inzwischen weit verbreitete Einschätzung. Dann, so ein Berater Annans, würden „auch die Europäer strammstehen, den Krieg politisch billigen, finanziell unterstützen und, wo von Washington gefordert, sich auch militärisch beteiligen“.

Eine „echte Chance“ für die Verhandlungen des UNO-Generalsekretärs mit dem Irak und damit für die Vermeidung eines Krieges gäbe es nach Überzeugung seiner Berater „nur noch, wenn die Europäer und die Russen das Spiel nicht weiter den Amerikanern überlassen, sondern Annan endlich alternative Vorstellungen für die Verhandlungen auf denTisch legen“. Entscheidend seien dabei die Fragen eines Zeitrahmens für die Inspektionen sowie der Zusammensetzung des Inspektorenteams.

Doch die Signale, die Annan in jüngster Zeit aus Moskau und aus EU-Hauptstädten erhält, sind nicht ermutigend. Russische Diplomaten haben den UNO-Generalsekretär wissen lassen, die Regierung Putin wolle ihre neu begründete „strategische Beziehung“ mit den USA nicht durch eine Kontroverse über die Irakpolitik gefährden. Putin sei mit jeder Lösung des Irakproblems einverstanden, die zu einer Rückzahlung der rund acht Milliarden Dollar Schulden führt, mit denen das Regime von Saddam Hussein seit dem Golfkrieg in Moskau in der Kreide steht. In Berlin bewegen sich die Politiker der rot-grünen Koalition immer mehr auf die US-Position zu. Die ursprüngliche „Vorbedingung“ der Koalition für militärische Maßnahmen gegen Irak – der Nachweis einer Verbindung zwischen dem Regime von Saddam Hussein und den Anschlägen vom 11. September – wurde inzwischen fallen gelassen. Jetzt reicht schon die Behauptung neuer irakischer Rüstungsprogramme, die gegen Auflagen des Sicherheitsrates verstoßen. Die Bundesregierung habe hierzu „weit reichende Geheimdiensterkennisse, die sie aber der Öffentlichkeit nicht vorlegen“ könne, erklärte der langjährige SPD-Sicherheitspolitiker Karsten Voigt, derzeit Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, kürzlich auf einer Podiumsdiskussion der Fulbright-Kommission in Berlin.

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