: PDS plant Flucht nach vorne
Nach den neuesten Umfragen wird es immer schwerer für die PDS, in den Bundestag zu kommen. Berliner Landesverband will beim Kampf um Direktmandate Konflikt mit der Bundespartei wagen
von UWE RADA
Eine PDS ohne Gregor Gysi ist bereits Wirklichkeit, ein Bundestag ohne PDS rückt in den Bereich des Möglichen. Nach einer gestern vom Meinungsforschungsinstitut Emnid veröffentlichten Umfrage kommen die demokratischen Sozialisten derzeit nur noch auf vier Prozent der Stimmen und hätten damit die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt. Noch vor einer Woche lag die Partei bei sechs Prozent. Der Rücktritt von Wirtschaftssenator Gregor Gysi hat die PDS demnach bislang zwei Prozent der Stimmen gekostet.
Auch wenn sich die Wahlforscher darüber uneins sind, ob Gysis Miles-&-More-Affäre und sein Ausscheiden aus der Politik dauerhafte Auswirkungen auf die Mobilisierung der PDS-Wähler haben wird, wird das Abschneiden der PDS in Berlin immer entscheidender dafür, ob auch im Jahre 12 nach der Einheit die PDS im Bundestag vertreten sein wird.
Und auch da sehen Meinungs- und Wahlforscher die Chancen der PDS schwinden. Nach einer gestern von der Nachrichtenagentur ddp veröffentlichten Umrechnung der Bundestagsergebnisse von 1998 auf den Neuzuschnitt der Berliner Wahlkreise kann die Gysi-Nachfolgepartei nur noch mit zwei Direktmandaten rechnen. Drei wären aber nötig, wollte die Partei im Falle eines Scheiterns an der Fünf-Prozent-Hürde dennoch in den Bundestag ziehen.
Sicher sind demnach nur zwei Wahlkreise. Das ist zum einen Marzahn-Hellersdorf, wo die ehemalige Landesvorsitzende Petra Pau kandidiert. Hier käme die PDS mit 46,7 Prozent der Stimmen auf Platz eins, gefolgt von der SPD mit 26,6 Prozent. Auch für Gesine Lötzsch, die Direktkandidatin im Wahlkreis Lichtenberg-Hohenschönhausen, stehen die Chancen nicht schlecht. Hier liegt die PDS mit 42,5 Prozent vor der SPD (31,7 Prozent). In den anderen drei Wahlkreisen, in denen sich die PDS Chancen ausrechnet, liegt jedoch die SPD vorne. Das gilt sowohl für Treptow-Köpenick (SPD: 37,6 / PDS: 34,8) als auch für Pankow (SPD: 36,1 / PDS:32,7) und Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg-Ost (SPD: 36,5 /PDS: 25,1)
Rechnete man allerdings die Ergebnisse der Abgeordnetenhauswahl 2001 für die neuen Bundestagswahlkreise um, würden die demokratischen Sozialisten alle fünf angepeilten Mandate holen. Doch das, sagt der Parteienforscher Richard Stöß, ist unseriös. Zum einen sei es ohnehin nicht zulässig, Wahlen verschiedener Art miteinander zu vergleichen. Zum andern sei die vergangene Landtagswahl in Berlin von einer Sonderstimmung geprägt gewesen: dem Bankenskandal und dem Einbruch der CDU sowie der Kandidatur Gregor Gysis für die PDS.
„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, räumte gestern der Sprecher des PDS-Landesverbandes, Axel Hildebrandt, gegenüber der taz ein. Inzwischen hat die Partei auch schon erste Konsequenzen gezogen. Die bisherige Parole „fünf plus eins“ wird fallen gelassen, da diese „eins“, nämlich der Wahlkreis Mitte, spätestens mit dem Verzicht auf die Kandidatur des neuen Berliner Fraktionsvorsitzenden Stefan Liebich unwahrscheinlich geworden ist. Stattdessen, so Hildebrandt, „konzentrieren wir uns ganz auf die fünf Wahlkreise, die wir gewinnen können“.
Intern wird in der PDS aber auch schon die Flucht nach vorne diskutiert. Nach Infomationen der taz will die Berliner PDS stärker als bisher noch einen Wahlkampf führen, der auf die Verhinderung eines Bundeskanzlers Edmund Stoiber zielt. Damit der aber auch glaubwürdig geführt werden kann, geht der Landesverband auch einem möglichen Konflikt mit der PDS-Bundesvorsitzenden Gabi Zimmer nicht länger aus dem Weg. Schließlich, so heißt es, müsse eine Alternative „PDS oder Stoiber“ auch die Option einschließen, dass einige PDS-Abgeordnete bei der Wahl des Bundeskanzlers Gerhard Schröder ihre Stimme geben. PDS als Kanzlermacher? Njet, sagt Gabi Zimmer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen