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Zurück in die Zukunft

No Future? Die aktuelle Krise hat nun auch die Musikindustrie erfasst und trübt die Stimmung vor der Popkomm. Beim Branchentreff in Köln dominiert die Rückschau: mit Reggae, Punk-Ästhetik, Achziger-Rivival

Von DANIEL BAX

Anfang Juli demonstrierte ein Häuflein aufrechter Fans von Michael Jackson vor der Zentrale des Sony-Konzerns in Manhattan. Sie skandierten Parolen und schwenkten Transparente, auf denen sie dem Pop-Star ihre Unterstützung versicherten. Die Szene war bizarr, denn etliche in der Schar glichen bis aufs Kunsthaar dem originalen Vorbild in seinen verschiedenen Daseinsphasen, vom nietenstrotzenden „Bad“-Charakter bis zum chirurgisch vollendeten Androiden von heute. Will the real Michael Jackson please stand up?

Zuvor hatte sich der echte Michael Jackson in einer Pressekonferenz mit dem populistischen Bürgerrechtler Al Sharpton erhoben und angeprangert, was er für „rassistische Praktiken“ seines Vertragspartners hielt. Namentlich Tony Mottola, dem Chef des Unterhaltungskonzerns Sony, warf der Sänger nämlich vor, sich nicht genug für dessen letztes Album eingesetzt zu haben. Nur weil „Invincible“ zu wenig beworben worden sei, habe es sich so schlecht verkauft. Ganze zwei Millionen Mal verkaufte sich das mittelmäßige Oeuvre immerhin, seit es im September erschienen ist. Zum Vergleich: Eminem übersprang diese Marge mit seinem neuen Album in nur zwei Wochen. Doch damit nicht genug: Michael Jackson glaubt, Sony habe mit Absicht auf einen Flop spekuliert, um ihn in finanzielle Schwierigkeiten zu bringen. Denn die Firma lauere nur auf eine günstige Gelegenheit, um billig an die Rechte der Beatles-Songs zu kommen, die er seit langem hält, meint Michael Jackson.

Der Fall des einstigen „King of Pop“ ist symptomatisch. Man kann diese Episode, die diesen Sommer auf den Vermischten Seiten der Tagespresse landete, als Zeichen des völligen Realitätsverlusts eines Superstars sehen, der seinen offensichtlichen Niedergang nicht verkraften kann und nach Schuldigen sucht. Man kann sie aber auch als Symptom einer Krise lesen, welche derzeit die gesamte Musikindustrie durchschüttelt, und die eben immer auch einen dankbaren Nährboden für kuriose Verschwörungstheorien wie die von Michael Jackson bietet.

Eine anderes Vorzeichen für das gegenwärtige Szenario war die Meldung, die schon im Januar durch die Medien geisterte. Damals wurde publik, dass Mariah Carey eine Abfindung von 28 Millionen US$ erhalten haben soll, damit ihr Vertrag mit der EMI aufgelöst werden konnte. Die Sängerin, die in den 90ern die zur kommerziell einträglichsten Künstlerin der Dekade aufstieg, aber nach ihrem Wechsel zur EMI mit dem Album „Glitter“ und dem gleichnamigen Film erfolglos geblieben war, darf damit wohl zumindest noch den Rekord für sich verbuchen, als teuerste Arbeitslose der Branche in die Annalen einzugehen. Andere Angestellte der EMI hatten weniger Glück: 1800 Mitarbeiter soll der Konzern im vergangenen Jahr angeblich weltweit entlassen haben, allein in Deutschland sollen 60 von 310 Namen von der Gehaltsliste gestrichen worden sein. Auch wenn man beim Konkurrenzunternehmen Universal keinen ähnlich spektakuären Abgang zu verzeichnen hat: Dass der Umzug der deutschen Unternehmenszentrale von Hamburg nach Berlin auch dem diskreten Personallabbau diente, ist ein offenes Geheimnis.

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