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Im Windschatten der Volksvertreter

Mit einem neuen Programm sollen junge, politisch interessierte Frauen der Politik ganz nah kommen: Sie hospitieren bei Abgeordneten des hohen Hauses. Die Idee des Networkings von Frauen für Frauen lässt die Polit-Trainees (noch) kalt

von SUSANNE AMANN

Wahrscheinlich ist ihnen gar nicht klar, wie nah sie dran sind. Entspannt sitzen Henriette Sachse und Jutta Kühl im Jakob-Kaiser-Haus, dem futuristisch-gläsernen Neubau des Bundestages für seine Abgeordneten. In ihrem Rücken der östliche Eingang des Reichstags, Deutschlandfahnen. Henriette Sachse und Jutta Kühl – wenige Meter von der Macht entfernt.

Ob die beiden Mittzwanzigerinnen da ankommen werden, wissen sie nicht. Die besten Chancen hätten sie. Die beiden Frauen gehören zu „Women for Public Leadership“, einem Programm der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF). Zusammen mit der Bundeszentrale für politische Bildung schickt die Akademie elf junge Frauen in ein „Politikerinnen-Kolleg“: Drei Monate lang dürfen Sachse, 25, und Kühl, 28, Schatten einer Politikerin spielen. Sie sollen nah miterleben, wie Politik funktioniert.

„Wir wollen mehr Frauen für Politik interessieren“, sagt Barbara Schaeffer-Hegel, „ihnen aber gleichzeitig auch zu mehr Durchsetzungskraft verhelfen“. Schaeffer-Hegel ist die Vorsitzende der Akademie, und sie will mit dem Mentoring-Programm Frauen gewinnen, die, wie sie sagt, „überparteiliche Frauenfraktionen“ bilden. Die Akademieleiterin hat sich dafür auf die Suche nach jungen Frauen gemacht: Exzellent sollten sie sein, am Ende ihres Studiums, sich politisch oder sozial engagieren – und sich vorstellen können, in die Politik zu gehen.

Die Suche war nicht leicht: Für 20 Plätze fanden sich nur elf Frauen, die den Anforderungen gewachsen waren. Jutta Kühl und Henriette Sachse haben das, was man einen perfekten Lebenslauf nennen könnte. Kühl suchte schon zu Schulzeiten von amnesty international bis zu den Naturschützern vom BUND nach ihrer politischen Richtung. Sie spricht drei Fremdsprachen und hat mehrere Monate im Ausland studiert. „Ich bin typisch Golfkriegs-politisiert“, sagt die Diplompolitologin, die bei der Bundestagsvizepräsidentin Petra Bläss (PDS) hospitierte.

Ihre Biografie ist taffer als die der Abgeordneten

„Meine erste politische Erfahrung war die Wende“, erzählt dagegen Henriette Sachse. Die Ostdeutsche hat inzwischen polyglotte Politikerfahrungen gemacht hat. Bei einem Schulaufenthalt in Südafrika erlebte sie die ersten freien Wahlen im Apartheidsstaat. Während ihres Studiums in Indonesien wurde der Diktator Suharto gestürzt. Der Schatten der CDU-Parlamentarierin Annette Widmann-Mauz engagiert sich weiter für Menschenrechte in Indonesien. Die Kulturwissenschaftlerin spricht neben Englisch, Französisch und Russisch auch Indonesisch und ein wenig Vietnamesisch.

Die jungen Frauen scheinen perfekt gerüstet. Ihre Biografie ist geradliniger als die der meisten Abgeordneten. Ob sie überhaupt in die Politik wollen, wissen sie noch nicht: „Wir haben beide keine parteipolitische Vergangenheit“, entschuldigt sich Sachse fast. Ihre Mentorinnen haben sie nicht nach Parteifarbe, sondern nach Interessen gesucht. Beide lockt eher die Arbeit in internationalen Organisationen. „Von der UNO träumt wahrscheinlich jede“, sagt Kühl.

Vorerst aber sind sie noch in Berlin, Bundestag. Beide genießen, so sagen sie, die neuen Eindrücke mit ihren Politikerinnen. „Die Idee ist klasse, dass dich jemand an seinen Erfahrungen teilhaben lässt“, schwärmt Kühl, „die muss ich dann nicht alle noch mal selbst machen.“ Zu dem Klasseprogramm gehören freilich auch Besuche in den Wahlkreisen, Podiumsveranstaltungen und ähnliches. „Man lernt, sich in einem politischen Feld zu bewegen, das man nur theoretisch kennt“, sagt die Politologin dazu diplomatisch.

Das so genannte „Networking“ von Frauen, das der Akademie so wichtig ist, lässt beide eher kalt. „Ich finde es völlig legitim, Kontakte zu nutzen und auszubauen“, sagt Sachse. Warum die Hemmschwelle bei Frauen da größer sei, wisse sie auch nicht genau. „Vielleicht wollen Frauen sich alles selbst erarbeiten.“

Die Karriere-Sozialdemokratin Ute Vogt (SPD), selbst Mentorin des Programms und kaum älter als die Polit-Zöglinge, sieht eine klare Differenz zu Männern in der Politik. Die männliche Mentalität, so Vogt, bestehe darin, „sehr viel mehr Kontakte zu pflegen“. Sachse kann diesen Unterschied nicht erkennen. Das Mentoring hält sie trotzdem für „ein gutes Mittel, um Frauen zu fördern“. In den Tagen, an denen sie den Bundestag erlebte, fiel ihr auf: „Da sind einfach immer noch viel zu wenig Frauen.“

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