: Die Sünden der CSU
Die Umweltpolitik der bayerischen Regierungspartei ist mitverantwortlich für die Häufung der gefährlichen Hochwasser
aus München OLIVER HINZ
Kanzlerkandidat Edmund Stoiber tourt als Retter durch die Überschwemmungsgebiete in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Seine Bayerische Staatskanzlei überschlägt sich mit Hilfemeldungen für die ostdeutsche Katastrophenregion. Unterdessen geben Opposition und Naturschutzverbände dem CSU-Chef Stoiber und seine Partei zumindest Mitschuld an den verheerenden Schäden, die das Hochwasser in Bayern selbst angerichtet hat.
„Für das Ausmaß der Schäden ist die CSU mit ihrem mangelhaften Klima- und Hochwasserschutz verantwortlich“, erklärt der Landesbeauftragte des Bundes Naturschutz (BN), Richard Mergner. Die Pro-Auto-Politik der Regierungspartei habe den Treibhauseffekt in Bayern verschärft. Entgegen dem Bundestrend nahm der Kohlendioxidausstoß von 1990 bis 1999 um 5 Prozent zu. Deutschlandweit sank er dagegen um 15 Prozent. Gegen den Klimawandel versuche man mit Schneekanonen in den Skigebieten anzukämpfen. Doch das Abholzen der Wälder, um Wasserbecken für die energieintensiven Beschneiungsanlagen zu schaffen, sei nur ein weiterer Beitrag zur Klimakatastrophe. Den Flüssen werden in Bayern ständig weite und flache Auen genommen, die als Überflutungsflächen dienten. 90 Prozent der bayerischen Fließgewässer wurden laut BN seit 1945 begradigt, vertieft oder in Rohre gezwängt und so ihrer natürlichen Dynamik beraubt. Hochwasserrückhalteräume verschwänden: 1.000 Quadratkilometer allein an der Donau zwischen Ulm und Regensburg durch den Ausbau von Staustufen und die Kanalisierung.
Fatal habe sich auch die Flurbereinigung von landwirtschaftlichen Nutzflächen ausgewirkt, sagt der BN-Landesbeauftragte. Mit jedem Quadratkilometer bereinigter Landschaft seien 10.000 Quadratmeter Wasserrückhalteraum verloren gegangen. „Alle Wasseraustreibungsmaßnahmen der Vergangenheit im Oberlauf der bayerischen Flüsse beginnen sich jetzt im Unterlauf bitter zu rächen“, klagt Mergner.
Zwischen Versprechungen und Taten klaffe bei der CSU ein eklatanter Widerspruch, berichtet der BN-Experte. In Landtagsbeschlüssen und Fachplanungen der Naturschutzbehörden wimmele es zwar von positiven Zielsetzungen, doch fast nichts davon werde umgesetzt. Im Landesentwicklungsprogramm 1994 heißt es etwa: „Naturnahe Gewässer einschließlich ihrer Uferbereiche sollen von beeinträchtigenden Nutzungen freigehalten werden.“ Die Wirklichkeit sieht anders aus. Hochwassersünden dokumentiert Mergner zum Beispiel in Franken an allen Zulaufgewässern am Main. Mitten in das Überschwemmungsgebiet zweier Bäche wird in Rottendorf bei Würzburg ein Gewerbegebiet gebaut. Entgegen den Warnungen des BN werden jetzt die beiden Bäche ausgebaut: Das beschleunigt ihre Abflussgeschwindigkeit gefährlich. Immer größere Gewerbegebiete wuchern zudem direkt in den Flussauen des Mains, so bei Kulmbach und Burgkunstadt. „Es ist die Summe all dieser Hochwassersünden, die jedes Jahr die Hochwassersituation am Main und den Unterläufen verschärft“, warnt Mergner. Ohnehin ist Bayern beim Flächenfraß mit 30 Hektar pro Tag deutscher Spitzenreiter, auch in Talauen. Das führt zur Zunahme der Spitzenabflüsse und zur Verkürzung der Zeitspanne zwischen Niederschlags- und Abflussbeginn.
Der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf preist dennoch sein Aktionsprogramm 2020. In den nächsten 18 Jahren sollen unter anderem 10.000 Hektar Uferflächen renaturiert werden. Doch der BN glaubt nur noch Taten.
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