: „Medienpolitik findet nicht statt“
Weil die Politik die Macht der Zeitungsverlage fürchtet, mischt sie sich nicht ein. Der Medienexperte Horst Röper über die Springer-Pläne der WAZ-Gruppe, anhaltenden Konzentrationsdruck und den schleichenden Verlust publizistischer Vielfalt
Interview STEFFEN GRIMBERG
Mathias Döpfner gab sich markig: Der Versuch, Leo Kirchs 40 Prozent an der Axel Springer AG gegen den Willen des Verlags zu übernehmen, sei, „wie in der Wüste von Namibia Eisbären schießen zu wollen“, verkündete der Springer-Chef gestern bei der Präsentation der Halbjahreszahlen (siehe Meldung auf dieser Seite). Doch die meisten Medienexperten sehen das anders, und hinter verschlossenen Türen verhandelte gestern die WAZ-Gruppe (u. a. „WAZ“, „Westfälische Rundschau“, „Westfalenpost“, „NRZ“, „IKZ“, „Thüringer Allgemeine“, „TLZ“, „OTZ“) weiter ungerührt mit Kirchs Abgesandten um den Einstieg beim Axel-Springer-Verlag („Bild“, „Morgenpost“, „Hamburger Abendblatt“, „B.Z.“).
Die WAZ als zweitgrößter Gesellschafter bei Axel Springer: Was würde sich am deutschen Tageszeitungmarkt ändern?
Horst Röper: Das wäre der größte Konzentrationsschub, den wir je erlebt haben. Denn immerhin würde hier das größte Zeitungshaus eine Verbindung mit dem zweitgrößten eingehen. Dass ist schon eine neue Dimension: Addiert kämen dann rund 30 Prozent aller Tageszeitungen aus dem Verbund Springer-WAZ.
Was bedeutet das für die publizitische Vielfalt?
Nach meinem Dafürhalten wäre die dann nicht mehr gegeben, der geplante Deal so also nicht akzeptabel. Ich rechne auch nicht damit, dass das Kartellamt hier zustimmt – jedenfalls nicht ohne wesentliche Auflagen für beide Seiten.
Der Konzern verweist dagegen auf sein WAZ-Modell: enge Zusammenarbeit auf der Verlagsseite bei völliger redaktioneller Unabhängigkeit …
Das ist in Teilen sicherlich glaubwürdig. Die WAZ-Geschäftsführung ist zuallererst an hohen Gewinnen interessiert, in die publizistische Linie ihrer Zeitungen haben sie sich nie eingemischt. Aber: Die Gefahr der Beeinflussung bei so einem großen Marktanteil ist doch in jedem Fall gegeben, auch bei der WAZ. Vielleicht nicht heute, aber vielleicht morgen unter einer ganz anderen Geschäftsführung.
Die entscheidende Instanz bei der Konzentrationskontrolle ist das Bundeskartellamt. Nur berücksichtigt das keine publizistischen Aspekte …
Das darf es auch gar nicht: Das Kartellamt ist eine nachgeordnete Behörde des Wirtschaftsministeriums, es muss von wirtschaftlichen Kriterien ausgehen, um Inhalte hat es sich nicht zu kümmern.
Wie müsste das Kartellamt im Fall WAZ-Springer rechnen?
Bei den WAZ-Auflagen in den Stammländern NRW und Thüringen muss die regionale Bild-Auflage berücksichtigt werden – das ergibt enorme Marktanteile. Außerdem gibt es noch den Bereich der wöchentlichen Frauenzeitungen und der Anzeigenblätter. Hier sind beide Verlage aktiv. Da kommt viel zusammen, das wird eine der schwersten Aufgaben, die die Medienabteilung des Kartellamtes je zu leisten hatte.
Und die Medienpolitik spielt keine Rolle?
Medienpolitik findet ja in Deutschland quasi nicht statt. Politiker können sich zwar äußern, aber sie haben keinen Einfluss auf das Verfahren, Sie können etwas begrüßen, sie können es für beängstigend halten – es bleibt L’art pour l’art.
Zuständig ist also ausschließlich das Bundeskartellamt. Reicht das?
In Fusionsfällen sind wir mit dem Kartellrecht in der Regel schon ganz gut aufgestellt. Aber eine aktive Medienpolitik auch und gerade in Sachen Printmedien heißt natürlich viel mehr als Fusionsverhinderung. Sie müsste sich aktiv zugunsten der Vielfalt im Medienmarkt einsetzen. Das geschieht definitiv nicht, und das ist in der BRD leider Tradition.
Die Lobby der Verleger bemüht sich derweil sogar um eine Lockerung der besonderen Kartellvorschriften (siehe Kasten) im Pressebereich …
Richtig: Es gibt eine Initiative – übrigens von Springer –, diese Presseklausel auszuhebeln. Dem haben sich dann andere Konzerne angeschlossen. Aber das Verlegerlager ist hier zerstritten: Die kleinen Betriebe wissen natürlich, dass dieses Kartellrecht für sie einen Schutz bildet.
Doch der Kanzler hat angeblich sein Wohlwollen für eine Änderung signalisiert …
Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Kartellrecht nicht geändert wird. Nur: Im Wahlkampf legt sich kein Bundeskanzler mit großen Presseunternehmen an.
Trotzdem: Wird sich die Pressekonzentration weiter fortsetzen, die Fusionen weitergehen?
Ja. Und ich befürchte, dass wegen der wirtschaftlichen Lage der Zeitungen dieser Schub sogar noch an Tempo zulegen wird.
Gleichzeitig halten Verlage zwar an ihren Titeln fest, legen aber – wie Springer bei bei Welt und Morgenpost – die Redaktionen zusammen …
Das beobachten wir schon seit vielen Jahren, dafür gibt es leider viele Beispiele: Wo Verlage mit zwei Titeln im Markt sind, gibt es eine schleichende inhaltliche Konzentration. Das höhlt die Pressevielfalt von innen noch einmal aus. Und ich fürchte, dieser Prozess wird sich durch die Einnahmekrise der Verlage noch einmal verschärfen.
Hat der Leser da keinen Einfluss, er merkt das doch auch …
Der Leser kommt da schon hinter – nur hat das auf Verleger, die an kurzfristigen Einsparungen interessiert sind, keinen Einfluss. Der Leser scheidet dann als Zeitungskäufer eben aus.
Sie kritisieren den Zeitungsmarkt seit langem als viel zu undurchsichtig …
Der Gesetzgeber hat es den Verlagen bisher fälschlicherweise nie zur Auflage gemacht, Transparenz herzustellen. Ganz generell wissen wir – und auch die Mdienpolitik – viel zu wenig über die Besitzstrukturen. Den reinen Zeitungsverlag gibt es ja kaum noch, selbst kleinere Unternehmen haben Druckerein, sind an Radio und Fernsehen beteiligt. Und dieses Geflecht ist für die Medienpolitik derzeit faktisch überhaupt nicht transparent.
Dabei gibt es eine offizielle Kommission zur Ermittlung der Medienkonzentration. Doch die ist nur für privaten Rundfunk zuständig, nicht für Zeitungen. Warum gibt es eine ähnliche Einrichtung nicht auch für den Printbereich?
Weil die Medienpolitik hier Angst vor den Reaktionen der mächtigen Verleger hat. In Teilen ist die Medienindustrie heute so mächtig, dass sie sich schon jeder Regulierung entzogen hat.
Hinweis: Horst Röper ist Geschäftsführer des Dortmunder Formatt-Instituts für Medienforschung und Medienökonomie. Der 50-Jährige ist seit vielen Jahren ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Medienkonzentration.
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