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Ist Globalisierung gut oder böse?

Die allgemeine Bewertung der Risiken und Chancen von Globalisierung spaltet die Industrieländer und die Entwicklungsländer auf dem UN-Gipfel in Johannesburg. Der scheinbar rein ideologische Streit könnte die übrigen Verhandlungen belasten

aus Johannesburg B. PÖTTER

Das Zuckersäckchen hat die übliche Größe und den üblichen Inhalt. Aber die Aufschrift ist neu: „100 Prozent reiner EU-Zucker – Weniger süß, als er schmeckt! Hergestellt in Europa, auf den afrikanischen Markt geworfen. Achtung: Dieser Zucker vernichtet afrikanische Farmer. Inhalt: Versteckte Subventionen (70 Prozent), künstliche Preise (30 Prozent).“ 9.000 Säckchen verteilte die Entwicklungsorganisation Oxfam gestern auf dem UN-Gipfel in Johannesburg. Der Protest galt der EU-Agrarpolitik, die den europäischen Zucker jährlich mit 1,6 Milliarden Euro subventioniert und zugleich auf Zuckerimporte aus afrikanischen Ländern 140 Prozent Zoll erhebt.

Als Resultat dieser Politik wurde Mosambik nach Oxfam-Angaben „fast völlig vom EU-Zuckermarkt ausgeschlossen“. In den nächsten zwei Jahren entgehen ihm 108 Millionen Euro – drei Viertel der jährlichen EU-Entwicklungshilfe für Mosambik.

Das Zuckerbeispiel zeigt, warum in Johannesburg auch um die Formulierungen zum Thema Globalisierung hart gerungen wird. Vor allem die Präambel „Nachhaltige Entwicklung in einer globalisierten Welt“ ist zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern umstritten. Die USA wollen die positiven Seiten der wirtschaftlichen Globalisierung herausstreichen, die Länder der Dritten Welt die negativen Aspekte betonen. Letztere wehren sich gegen Formulierungen wie: „Globalisierung bietet Chancen und Risiken für nachhaltige Entwicklung und hat das Potenzial, die Lebensverhältnisse aller Menschen zu verbessern. Die Globalisierung hat den Austausch von Ideen, die Ausweitung der Demokratie und die Herrschaft des Rechts in immer mehr Ländern befördert.“ Der Text gesteht zu, dass es die Befürchtung gibt, eine weitere Integration der Weltwirtschaft könne zu Instabilität im internationalen Wirtschafts- und Finanzsystem und zu negativen ökologischen, wirtschaftlichen und kulturellen Folgen führen.

Diese Vorlage aus der US-Delegation sorgte am Mittwoch und Donnerstag für Unruhe. Der brasilianische Delegierte Paolo Estivallet erklärte, es gebe offenbar unvereinbare Auffassungen über die Folgen der Globalisierung. Die deutsche Delegationsleiterin, die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Gila Altmann, äußerte Verständnis für die Position der Entwicklungsländer.

Was aussieht wie ein rein ideologischer Streit, könnte nach Altmanns Ansicht die weiteren Verhandlungen belasten. Und eigentlich gebe es bisher positive Signale – etwa eine Übereinkunft über die Förderung umweltfreundlicher Güter. Ökolabels sollen also nicht als Handelshemmnisse gelten. Soziale Kriterien wurden dagegen bisher nicht durchgesetzt. Unterschiede gibt es zwischen der EU einerseits und den USA sowie den G 77 andererseits auch zur sozialen Verantwortung von Unternehmen. Diese Verhandlungen werden vom Streit über die allgemeine Einschätzung der Globalisierung überschattet.

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