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Dreimaster in schwerer See

Hamburgs Rechts-Senat will heute die Koalitionskrise um Ronald Schill kleinreden. SPD und GAL beantragen morgen in der Bürgerschaft die Entlassung des Zweiten Bürgermeisters. Die wird nicht erfolgen – aber eine hitzige Debatte ist sicher

von PETER AHRENSund SVEN-MICHAEL VEIT

Die Lage sei „ernst“ sagt Christian Schnee, „aber von einer Krise der Koalition kann keine Rede sein“. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) werde es „gelingen“, davon ist der Senatssprecher überzeugt, „die Angelegenheit aus der Welt zu schaffen“. Und zwar heute. In der Senatssitzung am Vormittag soll der Krach beigelegt werden, den der Zweite Bürgermeister Ronald Schill mit seinem unsäglichen Auftritt im Bundestag am Donnerstag voriger Woche ausgelöst hatte.

In einem „ausführlichen“ Telefonat mit dem in Bayern wahlkämpfenden Schill hatte von Beust gestern seine Position „ultimativ“ deutlich gemacht. Und die lautet, dem Vernehmen nach, denn offiziell wurde „Stillschweigen“ über den Inhalt des Gesprächs vereinbart: Schill verzichtet auf seine angedrohte Verfassungsklage gegen Bundestags-Vizepräsidentin Anke Fuchs (SPD) und führt sich überhaupt künftig anständig auf. Noch so eine Provokation dürfe Schill sich um den Bestand der Koalition willen nicht erlauben, lautet nun die Parole.

So sehen das auch CDU und FDP. Man wolle „die erfolgreiche Arbeit mit Senator Schill fortsetzen“, beteuert FDP-Fraktionschef Burkhard Müller-Sönksen, und sein CDU-Kollege Michael Freytag verlegt sich aufs Maritime: „Wir sind in schwerer See, aber es ist Land in Sicht.“

Schill selbst machte gestern nach dem Telefonat mit von Beust einen Teilrückzieher. „Wenn die Lage aufgewühlt sein sollte, werden wir sie beruhigen“, versicherte er. Von seiner Klageankündigung gegen Fuchs rückte er verbal ab. Er gedenke das „zu prüfen“, formulierte er nun.

Trotzdem wird die Opposition nicht auf ein hitziges parlamentarisches Nachspiel verzichten. Die SPD-Fraktion beschloss gestern, in der morgigen Bürgerschaftssitzung die Entfernung Schills aus dem Senat zu beantragen. Danach solle das Parlament Regierungschef von Beust auffordern, „er möge den Innensenator entlassen“. Eine direkte Abwahl eines Senatsmitgliedes durch das Parlament ist jedoch nicht möglich, formal entscheidet einzig der Bürgermeister über die Entlassung eines Senatsmitgliedes.

Die GAL wird dem SPD-Antrag „selbstverständlich“ zustimmen, verlautete gestern nach einer Fraktionssitzung; eine Mehrheit wird er dennoch nicht erhalten. Höchstwahrscheinlich werden in der nicht geheimen Abstimmung die Fraktionen von CDU, Schill und FDP geschlossen gegen die Abwahl votieren.

Nur bei der Schill-Partei herrschte gestern schon wieder eitel Freude. Man habe durch Schills Auftritt eine mediale Aufmerksamkeit erhalten, die man sonst nie hätte erreichen können, ist Fraktionschef Norbert Frühauf begeistert. Intern hieß es, man habe dadurch 500.000 Euro an Wahlkampfkosten gespart. Und auch Schills Parteivize und Bausenator Mario Mettbach, der die Bundestagsrede am Wochenende noch als „unglücklich“ bezeichnet hatte, ist mittlerweile auf Linie. Er werde zu diesem Thema nichts mehr sagen, ließ er gestern verlauten.

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