: Tatkraft aus Teheran
Die iranische Filmemacherin und Schriftstellerin Siba Shakib kämpft für Frauen und Kinder in Afghanistan. Kabul ist auch in Bremen nicht fern
Als Siba Shakib vor wenigen Wochen Kabul verließ, hatte sie gerade einen 15 Monate alten Jungen langsam sterben gesehen. Und während sie in Bremen von ihm erzählt, wird in Afghanistan ein Attentat auf den Präsidenten Hamid Karsai verübt. Siba Shakib ist mit ihren Gedanken fast ständig am Hindukusch.
Auf Einladung des Frauenzentrums Belladonna war die deutsch-iranische Schriftstellerin und Filmemacherin am Donnerstag zu einer Lesung ins Bürgerzentrum Weserterrassen gekommen. Ihr erster Roman heißt „Nach Afghanistan kommt Gott nur noch zum Weinen“. Darin erzählt sie das Leben der Bauerntochter Shirin-Gol. Eine Geschichte von Flucht, Vergewaltigung und Verfolgung durch die Taliban. Shirin-Gol hatte Shakib ihre Erlebnisse in einem Flüchtlingslager berichtet. Shakib pendelt viel zwischen Deutschland und Afghanistan hin und her. In Kabul hilft sie beim Aufbau eines Zentrums für traumatisierte Frauen, kümmert sich um Kriegswaisen und kooperiert mit der Bundeswehr. „Superüberrascht“ sei sie von den „großartigen deutschen Soldaten“ vor Ort, schwärmt die Iranerin. Während sie Soldaten früher generell für „halbe Mörder“ gehalten habe, erlebe sie die Bundeswehr in Kabul als „wache, gebildete und friedensliebende Menschen, die sich mit Phantasie für den Frieden in Afghanistan einsetzen“.
Siba Shakib wurde in Teheran geboren. Als Mädchen litt sie unter dem Regime des Ayatollah Khomeini: Sie durfte Männern nicht in die Augen sehen, sich nicht nach ihrem Geschmack kleiden und musste die Beine stets züchtig übereinanderschlagen. Heute seien die iranischen Frauen ungleich selbstbewusster, berichtet sie: Während viele Männer ein Drogenproblem hätten oder einfach „breitarschig in der Gegend herumhocken“, seien die Frauen aktiv und kämpferisch, viele studierten.
Auch deutsche Medien haben über afghanische Frauen berichtet, denen die Taliban angeblich die Fingerkuppen abgeschnitten haben, weil sie mit lackierten Nägeln erwischt wurden. Siba Shakib gerät darüber in Rage: „Scheiße nochmal“, ruft sie, „wenn Nagellack das einzige Problem der afghanischen Frauen wäre, dann hätten sie keins“. Solche Horrorgeschichten, von denen nur eine wirklich dokumentiert sei, verdrängten das alltägliche Leid aus den Zeitungen, ärgert sie sich. „Die Frauen verkaufen ihre Körper, ihre Kinder, werden vergewaltigt, leiden unter Mangelernährung.“
Den afghanischen Warlords müsse endlich das Wasser abgegraben werden, fordert Shakib: „Ein Kämpfer, dessen Kinder genug zu Essen und zum Anziehen haben und in die Schule gehen dürfen, wird nicht in den Krieg ziehen“, ist sie sich sicher. Deshalb habe auch ein deutscher Polizeichef in Kabul Recht: „Ein hungriger Bauch kennt keine Vernunft.“ Und damit ist Siba Shakib wieder bei dem verhungerten Jungen: „Das ist so gemein, so ungerecht. Ich zahl in einem deutschen Zug für einen popeligen Kaffee 2,60 Euro. Wie viel Essen hätte dieses kleine Würmchen dafür bekommen können!“ Markus Jox
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen