piwik no script img

Die Weltsicherheit wird quotiert

Einen „Weltfrauensicherheitsrat in Gründung“ hat eine internationale Frauenkonferenz in Berlin beschlossen. Damit aber fängt die Arbeit erst an

von HEIDE OESTREICH

Man kann es nicht leugnen, alle Umfragen beweisen es: Für die meisten Männer ist Krieg unter bestimmten Umständen ein legitimes Mittel des Auseinandersetzens; Frauen aber, schön weit weg von internationaler „Realpolitik“, sehr nah dran an konkreter Realpolitik und den Auswirkungen des Krieges, sehen das oft nicht ein. Wenn diese Hälfte der Menschheit das ernst meinte, und dann tatsächlich demokratisch über Konflikte entschieden würde, dann gäbe es wohl keine Kriege mehr.

So weit die Utopie. Frauenfriedensgruppen verbreiten seit mehreren Jahrzehnten Weisheiten wie die, dass Frauen unter Kriegen besonders leiden, sie aber selten anzetteln. Die internationale Politik stört das nach wie vor wenig. Aber den Friedensfrauen ist in diesen Jahrzehnten trotzdem einiges geglückt: Es gibt mehrere internationale Absichtserklärungen, Frauen wenigstens anzuhören und einzubeziehen, wenn es um Konflikte und Nachkriegssituationen geht. Das versprachen die Regierungen etwa auf der Pekinger Weltfrauenkonferenz 1995, das erklärten sie noch einmal mit der Deklaration von Windhoek im Jahr 2000, und das verabschiedete der Weltsicherheitsrat in der Resolution 1.325 im Oktober 2000 (siehe Kasten).

Die Friedensfrauen haben also juristisch gesehen zum ersten Mal wirklich einen Anspruch darauf, von Entscheidungsträgern angehört zu werden. Genau jetzt also müsste eine Lobby her, die die Stimmen der Damen an das Ohr der Regierungen trägt. So argumentiert eine Initiative in Berlin, die am Wochenende mit einer internationalen Tagung in der grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung überlegte, ob man nicht einen symbolträchtigen „Weltfrauensicherheitsrat“ gründen sollte, der diese Lobbyfunktion übernimmt. Am Sonntag wurde beschlossen: Den „World Women’s Security Council (WWSC) in Gründung“ soll es geben.

Damit fangen selbstverständlich die Schwierigkeiten erst an. Wer soll drin sitzen, was soll der Rat tun? „Wir wollen Fachfrauen und prominente Stimmen zusammenbringen“, umriss Kerstin Lück, eine der Initiatorinnen, das Projekt. Eine mögliche Struktur des Rats schlug die Anwältin Isha Dyfan vor, die für eine Frauen-NGO Lobbying bei der UNO betreibt: Er sollte mit fünf Frauen aus Regierungen, fünf aus NGOs und fünf Promis besetzt werden. Die Aufgabe: Daten sammeln, alternative Konfliktlösungsvorschläge von FriedensforscherInnen öffentlich machen und als Lautsprecher für NGOs dienen. Langfristiges Ziel: die UNO quotieren.

Nicht alle Diskutantinnen waren angetan von der Idee. Auf der Pro-Seite saßen Frauen wie die Vorsitzende der afghanischen Menschenrechtskommission, Sima Samar. Sie wird von islamischen Fundamentalisten ernsthaft bedroht. „Wenn ich in meinem Land das Wort Gender in den Mund nehme oder fordere, dass Frauen Ministerinnen werden sollen, dann heißt es, ich rede unislamisch,“ sagt sie. Sie ist dringend auf internationale Unterstützung und Schutz angewiesen.

Oder Svetlana Slapsak, serbische Sozialwissenschaftlerin, die im Moment im slowenischen Ljubljana lehrt. Sie erzählt, wie die Medien in Serbien Jagd auf die Frauen machen, die etwa für Verständigung mit Kroatinnen arbeiten. Sie gelten als Verräterinnen. Gleiches gilt für Aktivistinnen, die für das Haager Tribunal arbeiten. „Frauen sind für die Nationalisten gefährlich“, erklärt Slapsak, „sie erinnern sich zu gut.“ An Vergewaltigungen, an Kriegsverbrechen aller Seiten. „Sie sollen zum Schweigen gebracht werden“, sagt Slapsak. Diese Frauen können ein Gremium, das sie international hörbar macht, gut brauchen. Skeptischer sind die alteingesessenen Friedensfrauen. Einige von ihnen fürchten, dass der neue Rat ihnen die knappen Ressourcen abgräbt. „Es ist wichtiger, Arbeit vor Ort zu betreiben, etwa in Afrika die Frauen über ihre Rechte aufzuklären“, sagte etwa Renée Ernst vom Bonner Zentrum für Konversion. Die Politologin Claudia von Braunmühl fragte ebenfalls kritisch: Wie wird gesichert, dass der Rat repräsentativ ist und nicht eine Kopfgeburt aus dem Norden?

Die Initiatorinnen, die „Frauenaktion Scheherazade“, sehen sich missverstanden: Sie habe bereits bei NGOs vorgefühlt, so Halina Bendkowski, eine der Aktivistinnen, und sei auf Begeisterung gestoßen. Wie groß die ist, wird sich wohl erst bei den geplanten Folgekonferenzen zeigen, auf denen weiter um den Frauenrat gestritten werden soll. Bendkowski etwa wollte den Popstar Madonna als Promi für den Rat gewinnen. Deren Peace-Kompetenz wurde allerdings von anderen bezweifelt. Für so langfristige Aufgaben ist Madonna vielleicht auch eher ungeeignet. Zum Feminismus soll sie einst bemerkt haben: „It’s a great idea, but I can’t wait so long.“

Der WWSC im Internet: www.world-womens-security-council.org, diskutiert werden soll er auch unter www.peacewomen.org und www.glow-boell.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen