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Das exotische Kleinvieh

Den Großen ein paar Stimmen wegnehmen, das ist die einzige Hoffnung der oft monothematischen Kleinparteien

von BARBARA DRIBBUSCHund FABIAN LÖHE

Spott und Misstrauen, oft sogar nur ein müdes Lächeln, das sind die wirklich großen Hürden, die kleine Parteien zu überwinden haben. Dabei bietet die Überschaubarkeit ihrer meist monothematischen Ausrichtungen für wahlmüde Politikverdrossene womöglich eine echte Perspektive. Kleinstparteien engagieren sich für ein bestimmtes Anliegen, oft nicht ohne Exotik oder gar einen gewissen Fanatismus. Aussicht auf einen Platz im Bundestag hat keine. Jede abgegebene Stimme ist aber quasi ein Symbol für die Wichtigkeit des Kampfes der Kleinen.

Auf diesen Effekt setzt zum Beispiel die Familien-Partei Deutschlands, die 1989 im Saarland von Kinderarzt Franz-Josef Breyer gegründet wurde und heute 430 Mitglieder hat. „Wir können den großen Parteien Stimmen entziehen, das ist unsere Macht“, hofft Breyer. Wenn viele Bürger mit ihrer Zweitstimme die Familien-Partei ankreuzten, dann würde den großen Parteien klar, dass sie sich mehr um die Anliegen von Eltern und Kindern kümmern müssten.

Die Familien-Partei, die in Nordrhein-Westfalen und im Saarland zur Wahl antritt, fordert die Besteuerung von Eltern nach dem „Familiensplitting“. Dabei wird das Einkommen entsprechend der Kinderzahl nach niedrigeren Sätzen besteuert als bei den Kinderlosen. Außerdem soll es ein Wahlrecht für Kinder geben, das dann stellvertretend von den Eltern ausgeübt würde. Diese Themen brachten der Familienpartei bei den Landtagswahlen im Saarland 1999 immerhin ein Prozent der Zweitstimmen ein. Genug, um jetzt staatlich gefördert zu werden (siehe Kasten).

Die „Feministische Partei DIE FRAUEN“ steht finanziell weniger gut da. Man sei auf Spenden und Beiträge der Mitglieder angewiesen, die in der Partei „Mitfrauen“ heißen, sagt Elke Bleich, Bundesschatzmeisterin der Partei in Berlin. 873 „Mitfrauen“ gehören der 1995 gegründeten Partei an. In Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg kann man „DIE FRAUEN“ auf dem Wahlzettel ankreuzen. Und sich damit für ein Recht auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr einsetzen. Außerdem wollen „DIE FRAUEN“ Selbstverteidigungstraining zum Unterrichtsfach erklären. Eltern sollen das Recht haben, in Kitas zwischen Koedukation oder Erziehung mit gleichgeschlechtlichen Kindern zu wählen.

Während „DIE FRAUEN“ im grün-alternativen Kiez der Großstädte um Unterschriften kämpften, umsorgt die Partei Bibeltreuer Christen (PBC) mit ihren 5.100 Mitgliedern ein eher konservatives Publikum. Mutterschaft solle endlich als Beruf anerkannt und mit Erziehungsgehalt entlohnt werden, heißt es im Programm. Die Zahl der Arbeitslosen könne so „um Millionen gesenkt werden“.

Ansonsten führt die 1989 gegründete PBC einen Kampf gegen die Homoehe und die öffentliche Förderung des Christopher Street Day. „Immer dreister treten die Anhänger dieses widernatürlichen Lebensstils in der Öffentlichkeit auf“, klagt es aus der Mitgliederzeitschrift, „es scheint, dass sich die Dämonen gleich einer Wolke über unser Land ausbreiten und alle Bereiche unserer Gesellschaft durchdringen.“

Den Sorgen der PBC darf sich das Wahlvolk in insgesamt neun Bundesländern anschließen. „Für viele Menschen verändert sich durch die Bekanntschaft mit der Bibel das ganze Leben zum Positiven“, weiß PBC-Bundesgeschäftsführer Gerhard Heinzmann. Im Hauptberuf ist der 62-Jährige Pastor einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde.

Ein wenig Gutes in die Welt bringen wollen auch „Die Violetten – alternative spirituelle Politik im neuen Zeitalter“. Die Partei geht davon aus, dass sich bis zum Jahr 2012 – dem Beginn des „Goldenen Zeitalters“ – der „Strahl der Verwandlung“ (dessen Farbe Violett ist) auf die Erde legt und das Bewusstsein der Menschen auf eine höhere Ebene heben wird. Bisher haben das aber erst 352 Violette in NRW erkannt, die dann wohl auch einzige Überlebende der „drohenden Katastrophen“ wären.

Der 67-jährige pensionierte Gymnasiallehrer Friedhelm Wegner ist der Bundessekretär und Spitzenkandidat für die spirituellen Politiker in NRW, dem einzigen Bundesland, in dem die Violetten antreten. Er rechnet zwar nicht damit, dass seine Partei über 2 Prozent der Stimmen kommt, doch „2006 – spätenstens 2010 – sitzen wir im Bundestag“. Das Programm: mehr Halbtagsstellen gegen Arbeitslosigkeit, Gesundheitskunde als Schulfach, weil Krankheit ein Reinigungsprozess ist. Die Konsumgesellschaft soll durch Bescheidenheit zur Bedarfsgesellschaft werden und alle Menschen zu Vegetariern.

Womit wir bei „Mensch Umwelt Tierschutz – Die Tierschutzpartei“ wären. Ziel der 1993 gegründeten Partei mit knapp 100 Mitgliedern: „Die Zeit der rechtlos ausgebeuteten und misshandelten Tiere muss endlich zu Ende gehen. Nun besteht erstmals wirklich eine Chance, unsere Mitgeschöpfe, die Tiere, aus ihrer täglichen Folter zu befreien.“

1993 war der heutige Bundesvorsitzende der Partei so von einem Fernsehbericht über Tiertransporte geschockt, dass er spontan „Mensch, Umwelt, Tierschutz“ ins Leben rief. „Auschwitz fängt doch schon da an, wo einer im Schlachthof steht und sagt, das sind doch nur Tiere“, kritisiert der Veganer. Eine Abstufung zwischen Menschen- und Tierleben gibt es für ihn nicht.

Mit Forderungen wie dem Bremsgebot bei Tieren auf der Straße, dem Einsatz von Zivis im Tierschutz und dem sofortigen Verbot von Tierversuchen, Leistungssport mit Tieren und Mobilfunknetzen will die Partei bei den Wählern punkten. Bei der Europawahl schien das aufzugehen: Mit 0,5 Prozent der Stimmen kam sie gerade über die kritische Hürde, ab der die Wahlkampfkosten zurückerstattet werden – damals immerhin 120.000 D-Mark für die Splitterpartei.

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