: Schröder: Wir brauchen Bremen nicht zu helfen
Scherf liest neuen Kanzlerbrief als Bestätigung – „im Zustand der Volltrunkenheit“ (CDU)
„Wir haben den ganzen Tag versucht, eine einvernehmliche Lesart dieses Briefs hinzubekommen“, erklärte Senatssprecher Klaus Schloesser gestern Nachmittag – vergeblich. „Versprochen – gebrochen“ war die klare Lesart des CDU-Vorsitzenden Bernd Neumann. „Der Brief ist eine belastbare Bestätigung der Zusage des Kanzlers“, ist die Lesart von Bürgermeisters Henning Scherf.
Das Land Bremen hatte in einem politischen Kuhhandel gegen die Zustimmung zur Steuerreform im Bundesrat einen Brief des Kanzlers ausgehandelt, in dem allgemeine Zusagen über finanzielle Hilfen für Bremen formuliert sind. Inzwischen sind in der Bremer Finanzplanung für 2005 knapp eine Milliarde Euro Finanzhilfe auf Grundlage des Schröderbriefes eingeplant – ohne diese Milliarde wäre der geplante Haushalt 2005 verfassungswidrig und die Sanierung der Staatsfinanzen gescheitert. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hat aber die Bremer Erwartungen mit keinem Cent als Ausgabe in der mittelfristigen Finanzplanung vorgemerkt, das ist das Problem.
Vor diesem Hintergrund liest sich der neuerliche Kanzlerbrief fast wie Hohn: „Ich freue mich zu hören, dass die Sanierung des Bremer Haushaltes voranschreitet“, schreibt Schröder. Bremen habe „die Strategie verfolgt, die Sanierungshilfe überwiegend für investive Zwecke zu verwenden und damit über eine Steigerung der Wirtschaftskraft auch die Steuerkraft des Landes zu erhöhen. Diese Strategie“, schreibt der Kanzler, „wird durch die Steuerreform 2000 unterstützt.“ Tatsächlich prognostiziert die Bund-Länder-Steuerschätzung allerdings das Milliarden-Minus für Bremen.
Der Schröder-Brief schlussfolgert unverdrossen: „Die hieraus resultierenden Wachstumseffekte werden zusammen mit der nachhaltigen Verbesserung des finanziellen Status quo im Rahmen der Neuordnung des Finanzausgleiches ab 2005 ein erneutes Abgleiten in eine Haushaltsnotlage verhindern.“
Völlig unvermittelt endet der Brief dann mit dem Satz: „Selbstverständlich bestätige ich gern, dass der Bund zu seinen Zusagen und den getroffenen Verabredungen steht.“ Während Scherf in diesem Satz eine „belastbare Bestätigung“ der alten Zusage sieht, ist es für Neumann eine „schallende Ohrfeige“. Das sei „so gut wie eine Absage“ für die geforderte Milliarde Euro in 2005. Es sei schwierig, einen möglichen Nachfolger Edmund Stoiber auf eine Kanzler-Zusage festzulegen, wenn Schröder schon vor der Wahl so deutlich davon abrücke, sagt Neumann. Bremen brauche aber die weitere Finanzhilfe des Bundes, „sonst können wir alles einpacken“. Und Scherfs Interpretation? Die könne „nur im Zustand der Volltrunkenheit“ entstanden sein.
Auch SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen meldete sich gestern zu dem Brief zu Wort. Neumanns Interpretation sei „kontraproduktiv“ und „schadet Bremen“, meinte er. Das Land dürfe seine Ansprüche nicht selbst aufgeben. K.W.
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