piwik no script img

Das Problem Ullrich löst sich in Wohlgefallen auf

Experten zufolge wäre die Telekom dennoch gut beraten, sich trotz des Ausstiegs des ehemaligen Toursiegers im Radsport zu engagieren

BERLIN taz ■ Walter Godefroot steht auf dem Standpunkt, dass er nach allen Maßstäben der Branche auch ohne Jan Ullrich eine Mannschaft mit großem Erfolgspotenzial hat. Ob der Telekom AG der Radsport auch ohne Ullrich so teuer ist wie bisher, ist indes eher ungewiss. Der Vertrag zwischen Telekom und der Godefroot GmbH, die das Radsportteam betreibt, läuft bis 2005. Für die Jahre 2004 und 2005 ist der Umfang des Telekom-Engagements hingegen noch offen. Und ob eine Mannschaft mit einem australischen und einem italienischen Spitzenfahrer bei der Tour de France für einen deutschen Sponsor ebenso interessant ist wie eine Mannschaft mit Jan Ullrich, bezweifeln die Fachleute: „Natürlich ist das unter Marketinggesichtspunkten weniger interessant“, sagt Hagen Bosdorf, Sportkoordinator bei der ARD, die gemeinsam mit der Telekom Trikotsponsor der Mannschaft ist. „Der Bekanntheitsgrad der Fahrer könnte ein Problem werden“, meint Uwe Welzel von „Sport und Markt“ in Köln.

Dennoch glaubt Marktforscher Welzel, dass Telekom gut beraten wäre, sich weiter im Radsport zu engagieren. Erhebungen seines Instituts ergaben, dass Ullrichs Alkohol- und Drogengeschichten seinem Ansehen massiv geschadet haben. Erik Zabel habe ihn als beliebtesten Radsportler Deutschlands klar überflügelt: „Eine Verpflichtung von Ullrich ist für Telekom wesentlich weniger interessant als bislang.“ Jürgen Kindervater, Kommunikationsdirektor bei Telekom, war sogar fast erleichtert, den Problemfall Ullrich loszuwerden: „Als Sportler hätte man dem Team nicht mehr antun können als das, was Ullrich getan hat.“

Unbestritten ist, dass Ullrichs Tour-Sieg 1997 die Basis des Sponsoringerfolgs der Telekom AG im Radsport war. Christian Hinzpeter, Sportvermarkter und Veranstalter der Deutschland Rundfahrt, glaubt jedoch, dass die Begeisterung für den Radsport, die Ullrich ausgelöst hat, sich mittlerweile von der Person abgelöst hat und dass deshalb für die Telekom ein weiteres Engagement sinnvoll ist. Laut „Sport und Markt“ fällt 67 Prozent der Bevölkerung, ohne verschiedene Namen genannt zu bekommen, auf Anhieb der Name Telekom ein, wenn es um das Thema Radsport geht. Welzel: „ein absoluter Spitzenwert“. Dieser Erfolg sei gefährdet, wenn man sich wegen Ullrichs Ausstieg zurückziehen würde. Oberstes Gebot im Sportsponsoring, so Welzel, sei die Kontinuität: „Nur wenn man lange dabeibleibt, findet ein Imagetransfer statt.“

Dass der ursprüngliche Erfolg Ullrichs sich spürbar auf den gesamten Radsport übertragen habe, sieht man auch bei der ARD. Die Einschaltquoten bei der diesjährigen Tour de France, so Markus Bartosz von der ARD-Sportkoordination, seien in diesem Jahr trotz des Ausfalls von Ullrich kaum zurückgegangen. Hagen Bosdorf sieht deshalb aus journalistischer Sicht den Weggang Ullrichs von Telekom sogar positiv: „Ein Duell von Jan Ullrich im Trikot einer neuen Mannschaft gegen das Team Telekom, das würde dem Ganzen doch eine sehr interessante Note verleihen.“

SEBASTIAN MOLL

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen