: Säuberungswunsch
Schill und CDU fordern, Wehner wegen dessen Rolle in den 30er Jahren die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen
Es gibt wieder neues Kanonenfutter für den Kampf der Welt gegen Herbert Wehner. Diesmal kommt es aus dem Institut für Sozialforschung (IFS) am Mittelweg, das bisher von der Springer-Presse wenig geschätzt wurde. Aber die Forschungsergebnisse des IFS-Historikers Reinhard Müller zu Wehners Rolle während der Stalinschen Säuberungen in den 30er Jahren in Moskau werden gern genutzt: Die Welt am Sonntag und Politiker der Rechtsregierung stellten gestern die Hamburger Ehrenbürgerwürde für den langjährigen Harburger Bundestagsabgeordneten Wehner in Frage. Die SPD verteidigt ihren früheren Fraktionsvorsitzenden im Bund gegen alle Vorwürfe.
Wehner soll 1937 maßgeblich an der Denunziation von deutschen KommunistInnen beteiligt gewesen sein, glaubt Müller aus Dokumenten des damaligen sowjetischen Geheimdienstchefs Jeschow schließen zu können. Es gibt allerdings Historiker und Wehner-Biographen, die diese Schlussfolgerungen in Zweifel ziehen.
Zweifel sind CDU-Fraktionschef Michael Freytag und Innensenator Ronald Schill fremd. Sie preschten gestern vor: Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiteten, gebühre Wehner nicht mehr das Recht, Ehrenbürger zu sein, teilten sie gegenüber der Welt am Sonntag unisono mit. Wehners Verhalten sei „auch unter Berücksichtigung der schwierigen Zeit nicht zu entschuldigen“, so Schill. Es sei zu prüfen, ob sich der Harburger, seit 1986 Ehrenbürger, „der tausendfachen Anstiftung zum Mord schuldig gemacht“ habe.
Die SPD schießt dagegen: Die Kritik sei „einer der regelmäßigen Versuche der Konservativen, an dem Menschen Herbert Wehner herumzukratzen“, befand Landeschef Olaf Scholz, und der Fraktionsvorsitzende Uwe Grund wirft „dem früheren Richter Schill leichtfertige Vorverurteilungen“ vor. PETER AHRENS
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