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Stabilität nur im Seelenbereich

Mit der Marktplatz-Einweihung kehrt Ruhe in die City ein. Der Einzelhandel leidet nicht nur unter Baustellen, sagt Karstadt-Chef Heinz-Jürgen Wagner

taz: Was hat Karstadt mehr gekostet: die lahmende Konjunktur oder die Baustellen in Obern- und Sögestraße?

Heinz-Jürgen Wagner: Im Vergleich mit anderen Standorten sehen wir noch etwas besser aus, obwohl wir die genannten Probleme hatten. Wir haben ein Marketing-Konzept, das einzigartig ist in der Bundesrepublik. „Buddel“ als Sympathie-Figur hat aus dem Problem eine Positiv-Situation gemacht. Die Menschen aus dem Umland sind trotz der Baustellen weiter zu uns gekommen. Von Buddel wurden 50.000 Stück verkauft, 35.000 davon im Hause Karstadt. Dazu kamen in den ersten Wochen 10.000 „Buddelinchen“. Schlimmer als die Baustellen trifft uns die allgemeine Kaufzurückhaltung.Woran erkennen Sie das?Erlebnisbereiche, wo man etwas für die Seele tun will, waren stabil. Der Musikbereich etwa, der Schmuck- und Uhrenbereich ist stabil geblieben. In der Parfümerie, bei den hochwertigen Düften gab es keinen Rückgang. Einbußen gibt es bei Damenkonfektion, Herren- und Kinderkleidung. Selbst im Spielwarenbereich ist der Umsatz rückläufig. Das spricht für Kaufzurückhaltung.Wie holen Sie das wieder auf, wenn die Innenstadt fertig ist?Ein bis zwei Jahre wird es dauern, aber wir sind guten Mutes. Der Marktplatz wird am 10. Oktober neu eröffnet.Nicht mehr pünktlich zum Musikfest, aber zur Karstadt-Neueröffnung am 11. Oktober …Das ist ein Zufall, über den wir aber sehr froh sind. Auch das P&C-Haus gegenüber zeigt sich jetzt mit seiner wunderschönen historischen Fassade.Kostet Sie das nicht Kunden, Peek&Cloppenburg direkt gegenüber zu haben?Ich bin froh über jeden Wettbewerber, der in die Innenstadt einzieht und sie stärkt. Wenn man sich die neue P&C-Immobilie in Hamburg ansieht, muss man sagen: Da wächst etwas Tolles heran. Wir erweitern unser Textil-Angebot auch und werden Marktführer bleiben. Wenn zwei Häuser ein großes Angebot auf engstem Raum führen, kann der Kunde wählen. Karstadt ist im mittleren und leicht oberen Segment positioniert. Wo wir aufhören, setzt P&C an – eine schöne Ergänzung und ein Grund mehr, in die Stadt zu fahren.Hat die Innenstadt durch die jüngsten Investitionen ein ausreichendes Polster, um sich gegen die Konkurrenz auf der grünen Wiese zu behaupten?Die umliegenden Einkaufszentren sind eine große Konkurrenz. Aber es ist eine Renaissance der Innenstädte zu erkennen. Da gibt es auch Kunst, Kultur, Erlebnis. Die alten Fassaden rund um den Marktplatz machen eine attraktive Urbanität aus. Dafür fährt man nach Bremen und kauft dann eben auch da ein.Beim Weserpark hat die Kombination von Entertainment und Einkaufszentrum bisher schlecht funktioniert.Das Konzept geht aus meiner Sicht nicht auf, weil die Gegebenheiten der Stadt dort fehlen.Und im Space Park?Der Space Park wird mit einer anderen Dimension aufwarten, wenn es gelingt, den Entertainment-Teil interessant zu halten. Für einen Einzelhändler stelle ich mir den Standort sehr schwierig vor. Wenn ich mit meiner Familie in einen großen Entertainment-Bereich fahre, dann bin ich vier oder fünf Stunden beschäftigt. Ich weiß nicht, ob ich dann noch Lust hätte, mir einen Fernseher oder Jogging-Schuhe auszusuchen. Aber die Gastronomie wird im Kontext des Entertainments hervorragend funktionieren.Als Kompensation für den Space Park wurden 100 Millionen Mark in die Innenstadt investiert. Sind noch Wünsche offen?Es ist in den letzten Jahren viel in Bremen passiert, darum beneidet uns manche andere Großstadt. Was ich mir persönlich wünschen würde: Mehr kleine Facheinzelhändler in der City. Vielleicht müsste die Stadt Starthilfe geben. So etwas wie das Viertel müsste Bestandteil der Innenstadt sein und nicht so weit weg. Wenn diese Geschäfte hier wären, wäre das das non plus ultra in Deutschland. Uns fehlt hier in der Innenstadt das Leben, das im Viertel ist, die Szene, Straßencafes, kleine Kneipen.Hätte der Schritt über den Brill eine Perspektive?Da könnte ich mir ein Dienstleistungs-Zentrum vorstellen, auch Technologie-Unternehmen, Büros. Für Einzelhändler ist alles, was hinter der Brill-Kreuzung kommt, derzeit leider noch eine tote Zone. Interview: K. W.

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