: Nicht nur im Bergbau
Rund ein Viertel aller Erwerbstätigen muss aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Job aussteigen. Gesetzliche Ansprüche für Jüngere auf Versicherungsleistung gibt es seit dem Vorjahr nicht mehr
Beschäftigte in Behindertenwerkstätten sollten es auf jeden Fall tun. Fahrzeugreiniger auch, ebenso Bergbauarbeiter unter Tage, Eisenbahnschaffner und Gleisbauer. Sie stehen zumindest auf der Liste der angeblich gefährlichsten Berufe, die das Magazin Focus mal aufgeführt hat, ganz oben. Als die Berufe, bei denen es am angebrachtesten sein soll, eine Versicherung auf Berufsunfähigkeit abzuschließen. Für Christian Sommer, Finanzdienstleister in Osdorf, hängt das Eingehen einer solchen Versicherung allerdings gar nicht unbedingt vom ergriffenen Beruf ab: „Wenn es zwei Versicherungen gibt, die man wirklich braucht, dann ist es die private Haftpflicht und die Berufsunfähigkeit“, ist er überzeugt.
Wer seinen Beruf aufgrund von Krankheit oder Unfällen nicht mehr ausüben kann, genießt keinen gesetzlichen Versicherungsschutz mehr, wenn er am 1. Januar 2001 noch nicht 40 Jahre alt war. Das ist die Kehrseite der Einführung der so genannten Erwerbsminderungsrente, die zwar eine Grundsicherung für Bedürftige schafft, den gesetzlichen Schutz auf Berufsunfähigkeit aber gestrichen hat. Es sind zwar noch ein paar gesetzliche Ansprüche übrig geblieben, „aber da muss man schon fast mit dem Kopf unterm Arm rumlaufen, um noch Geld zu bekommen“, sagt Sommer.
Und berufsunfähig sein ist davon gewöhnlich noch weit entfernt. Als berufsunfähig gilt, wessen Fähigkeit im Job um mindestens 50 Prozent eingeschränkt ist. Wer unversichert ist, seinen Job nicht mehr machen kann und dann einen Antrag auf Rente stellt, kann dann theoretisch darauf verwiesen werden, dass er ja noch einen anderen weniger belastenden Beruf ausüben könne. Die Versicherer spielen gern mit dem Beispiel des Ingenieurs, der krankheitsbedingt ausscheidet und dann als Parkwächter arbeiten muss.
Es sind, so weiß Sommer, nicht unbedingt Arbeitsunfälle, sondern meist Krankheiten, die dafür sorgen, dass man die gewohnte Leistung nicht mehr bringen kann. Bei Angestellten zum Beispiel stehen mit Abstand psychische Erkrankungen an der Spitze der Ursachen, bei den Pflegeberufen Verschleiß von Wirbelsäule und Gelenken, bei Arbeitern sind es mit Erkrankungen der Muskeln und des Gewebes ebenfalls Folgen der körperlichen Arbeit. Mit dem Resultat, dass ein Viertel aller Erwerbstätigen heute früher als geplant aus dem Berufsleben ausscheidet – aus gesundheitlichen Gründen.
Das Bewusstsein hierfür, so hat Sommer zumindest beobachtet, ist auch bei den Jüngeren inzwischen gewachsen: „Die Leute sind durch all die Debatten um die Riester-Rente für diese Themen sensibilisiert.“ Die Versicherungskosten von etwa 30 Euro monatlich, die Sommer für den Modellfall eines gesunden 30-Jährigen annimmt, würden dafür in Kauf genommen. Wer erst später anfängt zu zahlen oder in einzelnen Risikoberufen arbeitet, muss allerdings mit Zuschlägen rechnen, wenn er auf ähnliche Leistungen im Fall des Falles zurückgreifen möchte. „Man sollte sich auf keinen Fall erst ab 45 darüber Gedanken machen“, rät Sommer.
Er warnt allerdings vor dem Abschluss von solchen Versicherungen, die eine Klausel beinhalten, die „vom Endalter 55“ spricht. Das heißt: Wer mit 50 berufsunfähig wird, bekommt fünf Jahre lang Geld von der Versicherung, dann ist Schluss. Wer später als mit 55 keine Arbeitsleistung mehr bringen kann, fällt völlig aus der Versicherung heraus. „Solche Versicherungen klingen oft verheißungsvoll, doch Finger weg davon“, macht Sommer klar.
Ebenso ist er skeptisch, wenn die Zahlung bei Berufsunfähigkeit nur in Kombination mit einer Lebensversicherungpolice garantiert wird. Dies lohne sich lediglich für Leute, die in Familien oder Partnerschaften leben – weil gezahlt wird, wenn ein Todesfall eintritt.
Laut der Focus-Liste müssen sich Hochschullehrer, Zahnärzte, Richter, Staatsanwälte und Angehörige geistlicher Orden die geringsten Sorgen machen. Sie haben die ungefährlichsten und am wenigsten belastenden Berufe – und zu den bestbezahlten gehören sie teilweise auch noch. PETER AHRENS
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