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Neuer Himmel strahlt rosa

Heute beginnen in Australien die sechsten Gay Games, bei denen 13.000 Sportlerinnen und Sportler „für ein paar Tage die Welt umkehren“ wollen, wie es „Tatort“-Kommissarin Ulrike Folkerts ausdrückt

aus Sydney MICHAEL LENZ

KD Lang und Jimmy Somerville sind einige der Stars, die in einer farbenprächtigen und schrillen Show heute in Sydneys „Aussie Stadium“ die 6. Gay Games eröffnen. Acht Tage lange werden 13.000 schwule, lesbische, trans- und bisexuelle Sportler aus 61 Ländern in 31 Sportarten um persönliche Bestleistungen und Medaillen ringen. „Wir kehren für ein paar Tage die Welt um und haben das Gefühl, in der Mehrheit zu sein“, strahlt „Tatort“-Kommissarin Ulrike Folkerts, eine der gut tausend Sportlerinnen und Sportler aus Deutschland bei den Gay Games. Für Harald aus Düsseldorf ist das schwule Olympia die Gelegenheit, mit Klischeebildern zu brechen. „Der Sport ist eine der letzten großen schwulenfeindlichen Bastionen. Es gibt, außer im Tennis, doch kaum offen homosexuelle Spitzensportler.“

„Jeder kann teilnehmen“, ist eines der Prinzipien der 1982 von dem US-amerikanischen Zehnkämpfer Tom Waddell in San Francisco gegründeten Gay Games. Weder Alter oder Behinderung, sexuelle Identität oder Geschlecht stellen einen Grund für Ausgrenzung dar. „Auch Heterosexuelle können mitmachen“, versichert Bev Lange, der Kovorsitzende des Organisationskomitees „Sydney 2002“ (www.sydney2002.org.au). Der jüngste Teilnehmer sei 18 Jahre, der älteste 89. Harald ist einer der vielen HIV-positiven Sportler. „Ich bin seit 19 Jahren HIV-positiv und seit acht Jahren im Vollbild Aids. Sport ist für mich ein Teil des Überlebens“, erzählt der Schwimmer.

Die Bandbreite reicht von Freizeitsportlern bis zu Spitzenathleten wie Mark Tewksbury. Der Schwimmolympiasieger von Barcelona 1992 outete sich erst nach dem Ende seiner Profikarriere. „Ich konnte einfach nicht mehr mit den Lügen leben.“ Der Kanadier weiß, wie homophob es im Spitzensport zugeht. „Es war widerlich zu erleben, wie Sportler und Funktionäre bei den Olympischen Spielen von Seoul über den schwulen Turmspringer Greg Louganis gesprochen haben. ‚Greg loose arse‘ wurde er genannt“, erinnert sich Tewksbury und fährt fort: „Ich habe mich damals von Greg ferngehalten, um ja nicht auch für schwul gehalten zu werden.“ Der 31-Jährige will in Sydney im Marathon antreten. „Ich liebe neue Herausforderungen.“

Politische Akzente setzen begleitende Konferenzen wie die von amnesty international über schwul-lesbische Menschenrechte oder die 2. Internationale Konferenz schwul-lesbischer Gewerkschafter „Workersout!“. „Das Recht auf die freie Entfaltung der sexuellen Orientierung und der sexuellen Identität ist integraler Bestandteil der Menschenrechte“, betonte der indonesische Soziologe und Schwulenaktivist Dede Oetomo. Elsa Ramos lobte das „Coming-out“ der Gewerkschaften als Sachwalter schwul-lesbischer Gleichberechtigung. „Sie haben dafür lange gebraucht, aber sie haben endlich begonnen, sich zu bewegen“, betonte die Gleichstellungsbeauftragte der Internationalen Konföderation Freier Gewerkschaften, die weltweit 175 Millionen Mitglieder zählt.

Ganz in Rosa strahlt der „Neue Himmel“, so das Motto der Gay Games, nur für die australische Tourismusindustrie. 100 Millionen australische Dollar (AUD) werde das Event in die Kassen der Reiseveranstalter und des Gastgewerbes bringen, schätzen Wirtschaftsexperten der Universität von Sydney. Die Branche langt auch heftig zu und strapaziert mit Preisaufschlägen für Hotelzimmer wie bei den Olympischen Spielen vor zwei Jahren die Reisekassen der Sportler sehr. Auf der Gewinnerseite ist auch die Federation of Games, die sich als eine Art Gay IOC das Austragungsrecht der Gay Games mit 620.000 US-Dollar bezahlen lässt.

Die 17 Millionen AUD teuren Gay Games hingegen standen acht Tage vor dem Startschuss mit anderthalb Beinen im Bankrott. Nur die Bürgschaft wohlhabender schwuler Geschäftsleute für einen Überziehungskredit bewahrte das Sportereignis vor dem Aus. Gleichwohl bleibt vorerst offen, ob die Gay Games von Sydney wie die von Amsterdam vor vier Jahren und die von New York vor acht Jahren in den roten Zahlen enden werden. Mark Tewksbury ist davon überzeugt, dass die Gay Games nicht nur moralisch, sondern auch ökonomisch auf der Sonnenseite sind. „Die Olympischen Spiele sind finanziell erfolgreich, moralisch und spirituell aber völlig bankrott. Die Gay Games hingegen haben die Chance, Ideale und Wirtschaftlichkeit zu vereinen. Wir werden das spätestens bei den Gay Games 2006 in Montreal beweisen.“

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