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nachgefragtDIW über Haushaltsnotlagen & Verteilungskämpfe

Im Jahr 2005 gibt Eichel nichts

Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) geht in den Wahlkampf mit der Aussage: Bremen kann bis 2005 das Sanierungsziel erreichen und einen verfassungskonformen Haushalt vorlegen, wenn der Bund den „Kanzlerbrief“ auch so interpretiert, dass dann rund 400 Millionen Euro nach Bremen fließen. Um dieses Papier nicht selbst in Frage zustellen, beteiligt sich Bremen nicht an der Verfassungsklage, mit der das Land Berlin die Hilfe in seiner Haushaltsnotlage erzwingen will. Die taz sprach mit FU-Professor Viktor Steiner, Abteilungsleiter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin.

taz: DIW-Präsident Klaus Zimmermann hat wohl gesagt, dass die Bremer „Sanierungs-Strategie“ in Berlin nicht für so vorbildlich und erfolgreich gehalten wird, als dass man ernsthaft darüber reden würde, sie auf das Bundesland Berlin zu übertragen. Steiner: Diese relativ attraktive Variante, die Bremen zugestanden wurde, wird es für Berlin nicht geben. Man hat ja die Bundeszuweisungen nicht an klar definierte Zwecke gebunden, Bremen konnte damit sogar eine private Universität fördern und alle möglichen Formen von Investitionsförderung betreiben mit der Begründung, die Wirtschaftskraft zu erhöhen.

Warum wird es das nicht mehr geben? Die Zeiten sind andere. Für Berlin wird man eine Strategie wählen müssen, die lautet: Wir versuchen alles, um das Primärdefizit auszugleichen in einem mittelfristigen Rahmen, vielleicht bis 2008. Das Primärdefizit beträgt in Berlin rund zwei Milliarden Euro im Jahr, die aus den Einnahmen nicht gedeckt sind, das ist noch schwieriger als die Lage in Bremen war.

„Primärdefizit“ nennen Sie das, was an Neuverschuldung jedes Jahr hinzukommt? Ja, Einnahmen minus Ausgaben ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen für die 50 Milliarden Staatsschulden bei einem Haushalt von rund 20 Milliarden Euro. Auch wenn man alles vorstellbare tut beim Sparen, muss man vom Bund Schuldenabbau verlangen.

In Bremen wird auch gesagt, dass mit dem Geld Schulden abgebaut wurden.Man sieht es den Euro-Bundeszuweisungen nicht an, wohin sie fließen. Wir wissen nicht, wie die Auflagen für Berlin sein werden. Es gibt jetzt sogar ein Gutachten mit dem Tenor: Berlin ist nicht Schuld an dem Defizit. Das würde ich so nicht sehen: Wer soll sonst Schuld sein?

Bremen wird am Ende der Sanierungs-Zahlungen 2005 dem Bund sagen: Wir sind noch Haushaltsnotlage-Land. Die Lage ist wie 1992, dank der Sanierungs-Hilfen ist der Schuldenberg aber nur um eine Milliarde Euro gewachsen. Was dann? Das weiß niemand. Es geht um eine politische Entscheidung und insofern ist das immer ein Spiel, an dem übrigens eine dritte Partei beteiligt ist: die Bundesländer. Das Klima hat sich nach der Verfassungsklage von Baden-Württemberg und Bayern geändert. Der Fiskal-Föderalismus stößt an seine Grenzen.

Warum will das Land Berlin vors Verfassungsgericht? Der Bund will nicht zahlen. Auch das ist ein Spiel. Der Bund muss natürlich „Nein“ sagen, schon damit er nicht allein zahlen muss. Er will die Länder beteiligen. Der zweite Grund ist der Zeit-Faktor. Ich vermute, Finanzminister Hans Eichel glaubt nach wie vor, dass er im Jahre 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen kann. Bis dahin gibt es nichts zu verteilen. Wenn das Land Berlin klagen muss, gewinnt man Zeit. Selbst wenn Eichel weiß, dass er zahlen muss, muss er sich sagen: Vor 2006 ist sowieso nichts. Fragen: K.W.

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