Arbeitsmarktprognose 2017: Job-Boom im Wahljahr erwartet
Arbeitsmarktforscher sagen eine Rekordbeschäftigung für 2017 voraus. Flüchtlinge beeinflussen die Arbeitslosenstatistik nur gering.
Die Zahl der Arbeitslosen nehme 2017 um 160.000 auf 2,53 Millionen ab, heißt es in der Prognose. Das wäre der niedrigste Stand seit der Wiedervereinigung – und eine Überraschung für viele Schwarzmaler, die angesichts des Flüchtlingszuzugs seit 2015 einen großen Anstieg von arbeitslos gemeldeten Flüchtlingen vorausgesagt haben. „Die gute Entwicklung kompensiert die zusätzlichen Arbeitslosenmeldungen von Flüchtlingen“, sagte IAB-Studienleiter Enzo Weber.
Der Zuzug von Geflüchteten werde in diesem Jahr die jahresdurchschnittliche Arbeitslosigkeit nur um 60.000 Personen nach oben treiben, geht aus dem Bericht hervor. Gleichzeitig werden die Flüchtlinge 2017 für 70.000 zusätzliche Erwerbstätige sorgen.
Die geringe Auswirkung des Zuzugs auf die Arbeitslosenstatistik hat verschiedene Gründe. Das Institut geht zwar von 890.000 Asylsuchenden im Jahr 2015 aus, 280.000 im Jahr 2016 und etwa 200.000 Personen in diesem Jahr. Ein kleiner Teil der Flüchtlinge, besonders aus den Balkanländern, reiste und reist wieder aus und ein Drittel bekommt keinen Schutzstatus
Besser als in vielen EU-Ländern
Aus der Flüchtlingszuwanderung seit 2015 werden sich Ende dieses Jahres etwa 400.000 Personen auf Jobsuche, in Beschäftigungsmaßnahmen, Kursen oder in Arbeit in Deutschland befinden, schätzt IAB-Studienleiter Weber. Davon werden „nach unserer Prognose zum Jahresende 2017 ungefähr 140.000 Personen in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung oder Minijobs sein“.
Viele der Geflüchteten werden 2017 in Integrationskursen, Weiterbildung oder Beschäftigungsmaßnahmen stecken. Von den geflüchteten Frauen werden schätzungsweise zwei Drittel gar keine Arbeit suchen, sondern bei ihren Kindern bleiben wollen, so die Schätzung des IAB. Das zusätzliche Potential der Flüchtlinge in großem Umfang in Beschäftigung umzumünzen, brauche Zeit, heißt es in der Prognose.
Das IAB rechnet im laufenden Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent für Deutschland. Die höchsten Stellenzuwächse in der Wirtschaft erwarten die Forscher bei den öffentlichen Dienstleistern, in der Erziehung und Gesundheit. Dies liegt unter anderem am Ausbau der Kindertagesstätten und der Altenbetreuung. Auch die Flüchtlingsversorgung führe zu mehr Beschäftigung bei den Dienstleistern, heißt es in dem Bericht. Zudem ist die exportstarke Industrie ausgelastet, die Bautätigkeit nimmt zu.
„Die Erwerbstätigkeit folgt seit elf Jahren einem Aufwärtstrend, mit kurzer Unterbrechung im Krisenjahr 2009“ heißt es in der Prognose. In Deutschland ist die Entwicklung damit besser als in vielen EU-Ländern, wo die Forscher teilweise „gravierende Probleme auf den Arbeitsmärkten und bei der Verschuldungssituation einzelner Länder sowie in Teilen des Bankensektors“ ausmachen. Das Votum Großbritanniens für einen Austritt aus der EU habe zu neuen Unsicherheiten geführt. Die IAB-Experten erwarten kurzfristig jedoch „keine starken Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutsschland“.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz liegt also gewissermaßen im Trend, wenn er sich in seinen Reden speziell an die „hart arbeitenden Menschen“ und kaum an die Erwerbslosen wendet. Inwieweit sich der prognostizierte gute Arbeitsmarkt auf die Wahlentscheidung der BundesbürgerInnen auswirken könnte, ist allerdings nicht voraus zusagen.
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