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Arbeitsmarkt in DeutschlandAltersveranstaltung Hartz IV

Über 55 Jahre, ohne Job und auf Hartz IV angewiesen – diese Statistik steigt und steigt. Und auch die Kosten für Aufstocker steigen. Die Linke kritisiert, Milliarden würden verschwendet.

Immer höher steigt die Zahl der älteren Hartz-IV-Empfänger sowie der Aufstocker Bild: dpa

BERLIN dpa | Immer mehr ältere Arbeitslose finden keine neue Stelle und müssen dann von Hartz-IV-Unterstützung leben. Nach einem Bericht der Saarbrücker Zeitung waren im November rund 291.000 arbeitslose Hartz-IV-Empfänger über 55 Jahre registriert – 40.000 mehr als noch ein Jahr zuvor.

Dies entspricht einem Zuwachs von 16 Prozent. Die Zeitung beruft sich dabei auf offizielle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit.

Auch insgesamt ist danach die Zahl der über 55 Jahre alten Arbeitslosen binnen eines Jahres gestiegen, und zwar um 3,8 Prozent auf 534.000. Dagegen hat sich die Arbeitslosigkeit insgesamt im Vorjahresvergleich nur um 1,4 Prozent erhöht.

Eine Sprecherin der Bundesagentur machte dafür zum einen demografische Gründe verantwortlich. „So wie die Belegschaften in den Betrieben altern, so altern auch die Arbeitslosen.“ Zum anderen sei es aber auch eine Tatsache, dass der Arbeitsmarkt für Ältere sehr schwierig sei. Ältere Arbeitslose hätten schlechtere Chancen, wieder in Arbeit zu kommen.

Tatsächliches Ausmaß kaschiert?

Die Sozialpolitikerin der Linken, Sabine Zimmermann, sagte, das tatsächliche Ausmaß der Arbeitslosigkeit von Älteren werde durch die gesetzlichen Statistik-Vorgaben kaschiert. So würden fast 118.000 arbeitslose Hartz-IV-Empfänger im Alter von über 58 Jahren nicht mehr mit gezählt, weil sie von den Jobcentern ein Jahr lang kein Arbeitsangebot bekommen hätten.

Nach einer Antwort des Arbeitsministeriums auf eine parlamentarische Anfragen der Linken haben im vergangenen Jahr mehr als 1,21 Millionen Niedrigst-Verdiener zusätzliche Hartz-IV-Leistungen zum Lebensunterhalt bekommen.

Wie die Passauer Neue Presse unter Berufung auf die Antwort berichtet, wurden an die sogenannten Aufstocker 10,73 Milliarden Euro ausgezahlt. Der Parteichef der Linken, Bernd Riexinger, sagte: „Da werden Milliarden verpulvert, um Hungerlöhne aufzufüllen.“

Seit dem Hartz-IV-Start im Jahr 2005 seien bereits mehr als 70 Milliarden für Aufstocker ausgegeben worden. Riexinger forderte einen gesetzlichen Mindestlohn: Löhne, die bei Vollzeitarbeit nicht zum Leben reichten, müssten unter Strafe gestellt werden.

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6 Kommentare

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  • H
    Hafize

    Es gibt viele Berufe, wo die Leute es bis zum Ende nicht schaffen. Vor wenigen Jahren noch schmissen Großbetriebe Ingenieure mit 55 Jahren spätestens raus.

    Berufswechsel mit Ende 40 der mitte 50 stehen bei Arbeitgebern eben nicht hoch im Kurs. Die Politik muss eingreifen, weil sie den Leuten die soziale Sicherheit genommen hat.

  • KH
    Karin Haertel

    Die Luegenstatistiken holen unsere Regierung endlich ein. Und Schaeubles neuer Sparplan, bei dem er nicht spart sondern skrupellos die Buerger mit seinen Ideen wie Gesndheits-Soli und Abschaffung der verminderten MwSt auf z.B. Lebensmittel - also volle 19% - ausnimmt, kann diese Regierung ihre Wiederwahl schon mal unter Ulk abhaken. Es ist verwerflich mit dem Leben von Menschen zu spielen. In den USA werden gar keine Steuern auf Grundnahrungsmittel kassiert und daran sollte man sich ein Bespiel nehmen. Aber alles auch kein Grund zum Jubel fuer die SPD undGruenen, die mit ihrer Agenda 2010 und angekuendigter Steigeung bei Wahlsieg das Dilemma nicht nur in Gang gesetzt haben, sondern laut Steinbrueck noch weitet treiben wollen.

  • RS
    Reinhold Schramm

    Nach 37 Jahren in Vollzeitarbeit, als zweifacher Facharbeiter und Meister, zuletzt, im Alter von 55 Jahren, im zeitlich "befristeten Arbeitsvertrag" im MGB Berlin, befinde ich mich, nach ALG I, seit Jahren im offenen Hartz-IV-Strafvollzug (ALG II).

     

    Mit 62 Lebensjahren, nach 46 Erwerbsjahren (einschließlich unfreiwillige Ausfallzeiten etc.), wurde mir vom "Jobcenter Berlin Tempelhof-Schöneberg" eine "Eingliederungsvereinbarung" aufgezwungen. Über den Inhalt dieser "Eingliederungsvereinbarung" wurde kein persönliches Gespräch geführt.

     

    Das Schreiben der "Eingliederungsvereinbarung" befand sich bereits mit Unterschrift und Stempel ("Jobcenter") im Briefkasten. Es enthielt die Aufforderung: schnellstens mit Unterschrift den Inhalt zu bestätigen etc.

     

    Wenige Wochen zuvor erfolgte ein Telefonanruf vom "Jobcenter", und die Frage nach meinem vorzeitigen Rentenantrag. Ich verwies auf die dauerhaften hohen Rentenabschläge (Rentenkürzung). -

     

    Es folgte schließlich die massive telefonische Aufforderung (von der 'unbekannten' Sachbearbeiterin): Jede Erwerbsarbeit, einschließlich Zeit- und Leiharbeit, auch für weniger als 1/3 (unter 35 Prozent!) vom Tariflohn anzunehmen!

     

    Anmerkung: Meine vorausgegangene frühere Bewerbung beim Arbeitsamt, für eine freie Stelle bei der BA, wurde nach fünf Monaten schriftlich mit der Begründung abgelehnt: 'Sie haben keinen akademischen Abschluss, deshalb ist keine Einstellung beim Arbeitsamt (als Mitarbeiter bzw. Sachbearbeiter) möglich' {...}!

     

    Übrigens: Durch meine Langzeitarbeitslosigkeit ist der Rentenverlust erheblich. Für die Zeit im offenen Hartz-IV-Strafvollzug (- für vormals werktätige Wert- und Mehrwertschöpfende -) gibt es keine gesetzlichen Rentenansprüche (dies wurde auch von den Spezialdemokraten und "Sozialpartnern" der Hundtschen Bourgeoisie beseitigt). Bei vorzeitigem Rentenantritt (zwangsweise ab 63.), erfolgt der Abzug für KV+PV, Steuer, Abschläge (pro Jahr 3,6 % dauerhaft, bis 10,8 - 18 % möglich). Einschließlich Rentenverlust durch Arbeitslosigkeit, liegt der reale Rentenverlust bei mehreren Hundert Euro im Monat.

     

    Merke: "Es lebe die (A)'Soziale Marktwirtschaft' der Bourgeoisie, Administration und Parlamentspensionäre ..." = dafür haben wir, auch zuvor die Erwerbslosen, lebenslang gearbeitet!

     

    Trotz alledem!

  • A
    Arbeiterin

    Vielleicht sollte die Linke mal herausfinden wie viele davon ehemalige Zwangsselbstständige sind, denn selbst wenn der Mindestlohn kommt, werden dann so einfach die "Jobs" ausgelagert und noch mehr Arbeiter gezwungen einen Gewerbeschein zu ziehen; inklusive Ärger mit der asozialen Sprache des Finanzamts.

  • M
    magy

    ja solche Arbeitgeber die den Leuten so wenig Geld zahlen, das sie davon nicht selbständig leben können, müssen bestraft werden. Solchen Firmen geht es nur darum noch mehr Profit zu haben.

     

    Aber andererseits ist es auch so, das die Einstufung wann man Hilfe vom Staat dazu bekommt so weit unten angesetzt, das Hilfe kaum möglich wird.

     

    Dann kommt noch hinzu, das heute viele Firmen nur noch Zeitverträge für ein Jahr machen. Die Leute nehmen das aber hin, besser ein kurzer Arbeitsvertrag als keiner. Aber welch eine Belastung, was ist nach diesem Jahr, wovon wird der Betroffene dann leben, immer diese Unsicherheit.

  • H
    Harro

    Es ist klar, dass die Gruppe der über 55-jährigen steigt, so wie auch die Gruppe der übrt 45 und 50-jährigen wahrscheinlich ansteigt. Das hat weniger etwas mit demographischen Veränderungen zu tun, als mit einer Haltung in der Wirtschaft selber. Zur Erinnerung, wer heute 55 Jahre alt ist, hat ungefähr ab 1973 eine Tätigkeit im Berufsleben aufgenommen. Bis 1980 lag die Arbeitslosigkeit bei unter 4 Prozent - das spricht dafür, dass viele Menschen in dieser Gruppe den Sprung in den Job gut geschafft haben.

     

    Warum fliegen sie jetzt raus?

     

    Dafür sind branchenspezifische Gründe und Altersdiskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt wesentliche Gründe. Mindestens gegen die Diskriminerung auf dem Arbeitsmarkt ist die Politik gefragt, denn den Betroffenen droht der vollständige Absturz in Armut.