Arbeitsmarkt in Deutschland: Nicht mehr als 100 Euro im Monat
Die Grünen wollen Mini-Jobs auf 100 Euro im Monat beschränken. Sie korrigieren damit nachträglich ihre eigene Politik.
BERLIN taz | Die grüne Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt, hat gefordert, monatliche Einkommen von Minijobbern von derzeit 450 Euro auf 100 Euro zu beschränken. „Alle Verdienste über 100 Euro im Monat sollen steuer- und abgabepflichtig werden, mit reduzierten Beiträgen für geringe Einkommen“, sagte sie der Rheinischen Post. Ausnahmen sollten für den nicht näher definierten „haushaltsnahen Bereich“ gelten.
Mit der Herabsetzung auf 100 Euro könne wieder mehr reguläre Beschäftigung entstehen, die Menschen seien dann in der Lage, mehr Rentenansprüche aufzubauen, so Göring-Eckardt.
Die jetzige Regelung zu Minijobs wurde 2003 im Zuge der Hartz-Reformen von Rot-Grün eingeführt. Katrin Göring-Eckardt selbst war damals Fraktionsvorsitzende der Grünen und vehemente Verfechterin der Reform.
Damals betonten SPD und Grüne die Hoffnung, die Ausdehnung geringfügiger Beschäftigung könne die Chancen für Erwerbslose erhöhen, in den regulären Arbeitsmarkt einzusteigen. Erfüllt hat sich dies nicht. Das hat erst vor kurzem eine Studie im Auftrag von CDU-Bundesfamilienministerin Kristina Schröder gezeigt.
Frauen besonders betroffen
Demnach kommen die meisten Minijobber aus dieser Erwerbsform nicht wieder heraus: Über die Hälfte aller Befragten verharrt mehr als sechs Jahre im Minijob. Von einer Brückenfunktion in vollwertige Beschäftigungsverhältnisse könne also keine Rede sein, erklärten die Autoren der Studie.
Von den gut 7 Millionen geringfügig Beschäftigten in Deutschland sind 4,6 Millionen Frauen. In der Regel sind sie über den Partner krankenversichert und erwerben keine unabhängigen Rentenansprüche, was ein erhebliches Risiko für Altersarmut darstellt. Ebenso arbeiten Frauen häufiger in Sparten, in denen der Stundenlohn vergleichsweise niedrig ist. So ist der Stundenlohn auf dem Bau für Minijobber erheblich höher als beispielsweise im Gastgewerbe.
Die damalige Arbeitsmarktreform von SPD und Grünen hat damit weder zur Überwindung der häufig thematisierten Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen noch zur Bekämpfung der weiblichen Altersarmut beigetragen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern
Pistorius wird nicht SPD-Kanzlerkandidat
Boris Pistorius wählt Olaf Scholz