■ Öko-Wunder: Arbeit und Wohlstand für alle
Der Altmeister kann es immer noch: Just zum Aufbrechen einer neuen ökologischen Debatte um Wachstum oder Verzicht, wirft der „Heilige Franz“, wie ihn manche liebevoll ironisch nennen, ein Rezeptbuch auf den deregulierten Markt, das unserer gebeutelten Wirtschaft mit einer speziellen Mixtur Heilung verspricht. Die Zutaten: Neuverteilung der Arbeit, Energie- und Verkehrswende. Alles zusammen soll bewirken, was viele zu erreichen längst aufgegeben haben: ein zweites Wirtschaftswunder made in Germany, das nichts weniger bescheren soll, als neue umweltverträgliche Vollbeschäftigung.
In einer Bilanz seiner „Zeitsprung“-Zukunftsvisionen für den Südwestfunk skizziert der umtriebige Journalist noch einmal das Instrumentarium einer ökologischen Effizienzrevolution: Erneuerbare Energien, insbesondere Solartechnik, und moderne Verkehrssysteme für Bus und Bahn sollen Hunderttausende, wenn nicht Millionen neuer Arbeitsplätze bringen. Franz Alt ist Öko-Optimist und -Pessimist in einem. Er läßt keinen Zweifel daran, daß Wachstumspolitik nach hergebrachtem Muster endgültig in die Katastrophe führt, weist aber zugleich anhand zahlreicher Positivbeispiele nach, daß „Autofahren heilbar“ und eine „Sonnenstrategie“, z. B. in Japan, möglich ist. Da bleibt es nicht wie bei Ernst-Ulrich von Weizsäcker bei „Faktor 4“, also doppeltem Wohlstand trotz halbiertem Ressourcenverbrauch, sondern mindestens bei „Faktor 10“, wenn nicht „Faktor 1.000“, z. B. in der Energiebilanz einer Televorlesung anstelle eines Gastvortrags, zu dem der Dozent per Auto anreisen würde.
Das mag man für übertrieben halten oder nicht. Fest steht, daß alles, was Alt vorschlägt, ob Halbe-halbe bei der Hausarbeit oder eine zweite Eisenbahnrevolution, realisierbar wäre – den politischen Willen der Entscheidungsträger vorausgesetzt. So besteht denn auch Wilhelm von Sternburg in seinem Vorwort darauf, der Altsche Ansatz sei „eben keine Utopie, sondern Realpolitik“. Bleibt die Frage, wie Politik und Wirtschaft dazu bewegt werden sollen, die neuen Paradigmen umzusetzen, da die Bundesregierung ebenso wie maßgebliche Teile der SPD gegenüber einer Verknüpfung der ökologischen mit der Beschäftigungsfrage konsequent abgeneigt sind. In jedem Fall sollte man Gerhard Schröder versuchsweise das Buch als Nachttischlektüre empfehlen. Eine Ver-Alt-ung seiner veralteten Theorie von der ökologisch geknebelten Wirtschaft könnte sein Wahlprogramm modernisieren. Denn: Wunder gibt es immer wieder. Ali Schmidt
Franz Alt: „Das ökologische Wirtschaftswunder. Arbeit und Wohlstand für alle.“ Hg.: W. v. Sternburg. Aufbau Verlag, Berlin 1997, 12 DM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen