Arabische Reaktionen auf die US-Wahl: Wunschlisten an Obama
In Kairo herrscht Erleichterung über die Niederlage von Romney. Syrer und Palästinenser melden sich mit ihren Forderungen an Obama zu Wort.
KAIRO taz | Als die Siegesrede von Barack Obama im ägyptischen Fernsehen übertragen wurde, war der Enthusiasmus in der Stimme des Übersetzers kaum zu überhören. Aber es waren dann vor allem die Twitter-Meldungen aus allen Ecken der arabischen Welt, die sofort anmerkten, dass in dieser Rede die Aussenpolitik kaum eine Rolle spielte und Schlüsselworte wie Syrien, Iran, Israel und Afghanistan nicht gefallen sind. Doch gleichzeitig war in den arabischen neuen sozialen Medien die Erleichterung nicht zu überhören, dass der nächste Präsident der USA nicht Mitt Romney heißt.
Ein Eindruck, der sich auch in den Wahlsendungen der großen arabischen Fernsehkanäle wie Al-Jazeera und Al-Arabiya bestätigte, die die ganze Nacht über berichteten. Sowohl die arabischen Studiogäste als auch die Korrespondenten in den USA machten keinen Hehl daraus, dass sie in Obama mindestens die „weniger schmerzliche“ Alternative für die Region sahen. Romney wurde als eine Verlängerung der Ära des letzten republikanischen Präsidenten George W. Bush gesehen.
„Jenseits des US-Rückzuges aus dem Irak und dem geplanten Abzug aus Afghanistan 2014, könnte die erste Amtszeit Obamas als eine für die Region inaktive Zeit der US-Politik charakterisiert werden“, schrieb etwa die Tageszeitung The Nation in Dubai. Vor allem, hieß es weiter, „wenn das mit der Zeit des Vorgängers Bush verglichen wird, der in zwei Amtszeiten in der Region zwei Kriege begonnen hat“. Dass Obama nicht mehr angerichtet habe, sei bereits eine willkommene Abwechslung gewesen.“
Glückwünsche von Mursi
Von offizieller Seite wurde Obama aus den meisten arabischen Hauptstädten gratuliert, oft mit dem Zusatz, dass man sich eine für die Region effektivere zweite Amtszeit wünsche. Der aus der Muslimbruderschaft stammende ägyptische Präsident Muhammed Mursi schickte ein Glückwunsch-Telegramm, in dem er auch die Hoffnung ausdrückte, dass die bilateralen Beziehungen im Interesse beider Länder gestärkt würden.
George Sabra, ein Sprecher des oppositionellen syrischen Nationalrates, erklärte, dass Obamas Erfolg nun mit mehr Unterstützung für den Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad einhergehen sollte. „Wir hoffen, dass Obama nach diesem Sieg die richtigen Entscheidungen treffen wird, um der Freiheit und Würde der Syrer unter die Arme zu greifen“, erklärte er in dem Golfemirat Katar. Damit einher ging die Forderung nach Waffen für die syrischen Rebellen. Obama hat eine direkte militärische Intervention in Syrien bisher ausgeschlossen.
Auch die Palästinenser meldeten sich zu Wort. Präsident Mahmud Abbas hofft vage, Obama werde seine Bemühungen im Nahost-Friedensprozess weiterführen. Sein Chefunterhändler Saeb Erikat wurde etwas deutlicher. Er hofft, dass die US-Regierung jetzt mit Israel nicht mehr als einen Staat behandelt, der über internationalem Recht steht. Die USA sollten nun einen israelischen Siedlungsbaustopp durchsetzten und die palästinensische Forderung nach einem Beobachterstatus bei der UNO unterstützen, fordert er.
Interessant sind auch mehrere Erklärungen in den sozialen Medien, die den Stil der US-Wahlen mit den ersten demokratischen Wahlen in den arabischen Umbruchsstaaten vergleichen. Auf der Facebook Seite der ägyptischen 6. April-Bewegung, einer Gruppe von meist jungen Tahrir-Aktivisten, heißt es: Romney habe Obama angerufen, um ihm zu gratulieren, der widerherum sprach in seiner Siegesrede von einem geeinten Amerika und erklärte, dass er mit Romney kooperieren wolle. „Irgendwann“, heißt es in dem Facebook-Eintrag weiter, „werden wir so etwas auch in Ägypten erleben“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind