Arabisch-europäische Kooperationen: Austausch als Prinzip
Ab Freitag findet zum 2. Mal das Kulturfestival „Wish You Were Here“ mit Musik und Film im Freiluftkino Kreuzberg und dem Silent Green statt.
Die arabische Welt umfasst über ein Dutzend Nationalstaaten, und noch viel mehr Dialekte. Dennoch: Sprache und Kultur verbindet sie miteinander. Wie lässt sich diese Vielfalt von Nordafrika bis zur Arabischen Halbinsel in Ton und Film einfangen? Eine Kostprobe liefert das Sommerfestival der libanesischen Stiftung Arab Fund for Arts and Culture (Afac) vom Freitag bis Sonntag.
Genussmittel werden von Jazz-MusikerInnen und Filmemacher von Irak bis Tunesien zur Geschmacksprüfung dargeboten. „Wish You Were Here“ heißt die Initiative, die in der zweiten Auflage stattfindet. Das passt, denn Kuratorin Rasha Salti vereint – neben dem deutschen Publikum – Künstler und Besucher, die ihr zu Hause in anderen Ländern gefunden haben.
Der Austausch mit verschieden Gruppen ist Salti ein Anliegen. Im letzten Jahr wurden deshalb Neuangekommenen aus Syrien oder Jemen Freikarten angeboten. „Viele haben unser Angebot angenommen. Ich könnte das bei der Fragerunde nach der Filmvorführung heraushören“, sagt Salti. Sie selbst kommt aus Beirut, lebte in New York und nun überwiegend in Berlin. Seit zwei Jahren ist die gebürtige Libanesin Leiterin des Europa-Programms von Afac. „Als 2015 die syrische Einwanderungskrise ausbrach, wollte Afac eine Plattform schaffen, auf der Araber und Europäer zusammentreffen“.
Daraus ist die Idee des Festivals entstanden, das erneut in Kooperation mit dem Arab Film Fest Berlin stattfindet. „Es ist wichtig, eine Basis zu haben, die keine voreingestellten Parameter kennt. Kunst bietet Grund, sich zu treffen und den Horizont zu öffnen.“
Zu Hause ist Salti, als Kennerin des Kinos aus Afrika und dem Nahen Osten, besonders im Film. Und entsprechend begann das Festival im vergangenen Jahr. An vier Tagen zeigten sie vor allem eines: Bewegtbild. „In diesem Jahr werden wir an drei Tagen Musik und Film kombinieren.“ Die meisten Spielfilme seien ohnehin Koproduktionen aus verschiedenen Ländern. Musikalisch wurde ebenfalls nach diesem Konzept ausgewählt.
Drei Tage Musik und Filme
Auftakt des Festivals ist am Freitagabend (24. 8.) im Freiluftkino Kreuzberg. Zu hören wird die marokkanisch-französische Sängerin Malika Zarra sein. Ihr letztes Album „Berber Taxi“ (2011) bewegt sich zwischen urbanen Jazz, der Elemente Nordafrikas absorbiert – und sicher nicht ohne Einflüsse ihrer Wahlheimat New York lebt. Die Mischung zieht sich auch ins Sprachliche. Zarra singt auf Arabisch, Berber, Französisch und Englisch. Begleitet wird sie von ihrer französisch-marokkanischen Band mit Gitarre, Bass und Schlagzeug.
Damit sollte ein angenehmer Einstieg in die Sommerdämmerung vorprogrammiert sein. Wenn es dunkel wird, wechselt der vielschichtige Sound zu Kino aus dem Irak. Im Anschluss läuft der Thriller „The Journey“ (Al-Rihla) von Mohamed al-Daradji. Es war nach 27 Jahren der erste irakische Film, der in heimischen Kinos gezeigt wurde, berichtet das Magazin Al-Monitor. „The Journey“ wurde im Zentralbahnhof Bagdads gedreht. Er basiert auf einem realen Zwischenfall. Erzählt wird die Geschichte einer Selbstmordattentäterin. Al-Daradji lässt den Zuschauer in die Gedankenwelt der Extremistin blicken. Dabei spiegelt er provokativ die irakische Gesellschaft.
Am Samstag (25. 8.) wechselt der Veranstaltungsort von Kreuzberg in das ehemalige Krematorium Silent Green im Wedding. Kamilya Jubran, palästinensische Sängerin, Komponistin und Oud-Spielerin ist in klassischer arabischer Musik ausgebildet. Sie trifft auf den Schweizer Jazz-Trompeter Werner Hasler. Die Fusion klingt elektrisiert, wie es auf den beiden gemeinsamen Alben „Wanabni“ und „Wameedd“, nachzuhören ist.
Marokkos Klassenunterschiede
Der Film des zweiten Abends hingegen spielt in der gleichnamigen UNESCO-Weltkulturerbe-Stadt „Volubilis“. Regisseur des Dramas ist der Marokkaner Faouzi Bensaïdi, der auch die Hauptrolle spielt. Der Film spricht die Klassenunterschiede innerhalb der marokkanischen Gesellschaft an. Bensaïdi lässt in das Schicksal eines einfachen Paars eintauchen, das daran zu zerbrechen droht.
Von fragil wechselt es am Sonntag (26. 8) zu „surreal und ein bisschen verrückt“, wie der syrische Saxofonist Basel Rajoub seine Formation mit dem österreichischen Drehleiher-Spieler Matthias Loibner beschreibt. Sie stellen ihr „Project in Progress“ vor. Diese Musik zum Leben zu bringen, sei „aufregend“, sagt Rajoub, der in der Schweiz lebt. Ein Besuch könnte sich lohnen.
Den Abschluss macht das Gesellschaftsdrama „Hedi“, des tunesischen Regisseurs Mohamad Ben Attia. Hauptdarsteller Majd Mastoura wurde dafür vor zwei Jahren mit dem Silbernen Bären als bester Darsteller ausgezeichnet. „Es ist schön, Filme wie Hedi, die auf der Berlinale liefen, einem anderen Publikum in unterschiedlichem Kontext zu zeigen“, sagt Salti. Attia zeichnet ein Panorama des gegenwärtigen Tunesiens, das eine Generation zeigt, die mit Traditionen bricht. Und eine Heldenfigur, die für die Liebe und gegen den Willen der Familie kämpft.
24. bis 26. 8. im Freitluftkino Kreuzberg, Mariannenplatz 2, 7,50 € und im Silent Green Kulturquartier: Gerichtstraße 35, 5 €
Das Sommerfestival soll aber nicht die letzte europäische Kooperation des Jahres von ACAF sein. War im vergangenen Jahr in der Volksbühne die Reihe „Un-spoken“ mit Gesprächen, Präsentationen und Performances von arabischen KünstlerInnen zu sehen, folgt Ende September das Resultat der Zusammenarbeit mit dem Residenztheater München und dem Sabab Theatre. Der kuwaitische Regisseurs Sulayman Al-Bassam hat einer der ältesten Stadtgründungen der Welt, „Ur“ im historischen Mesopotamien, ein Stück geschrieben. Uraufgeführt wird es allerdings in München.
Dieser Text erscheint im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz
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