: Araberfresser als Außenminister
Israels Ministerpräsident Netanjahu gibt das Außenministerium an Ariel Scharon ab. Eine Einigung mit Arafat wird paradoxerweise wahrscheinlicher ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen
Infrastrukturminister Ariel Scharon wird Israels neuer Außenminister. Dies teilte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gestern nachmittag auf einer überraschend einberufenen Pressekonferenz in Jerusalem mit. Die formelle Absegnung durch das Kabinett am Sonntag dürfte reine Formsache sein.
Der bisherige Außenminister hieß Netanjahu. Er hatte das Amt seit Januar inne, nachdem der damalige Außenminister David Levy von der Gesher-Partei nach einem Streit mit Netanjahu über die Friedenspolitik zurückgetreten war.
Gerüchte, daß der siebzigjährige Ariel Scharon zum Außenminister ernannt wird, hatte es erstmals vor drei Wochen gegeben. Sein Infrastrukturministerium dürfte nun an die Nationalreligiöse Partei fallen.
Bislang war Scharon als Minister auch für den Siedlungsbau in den besetzten palästinensischen Gebieten zuständig. Die Erweiterung der Siedlungen hatte er mit einigem Eifer betrieben. Scharon gilt als Hardliner, der die Oslo-Vereinbarungen stets abgelehnt und sie als eine Gefahr für Israel bezeichnet hat. Scharon hatte sich bislang auch gegen einen 13prozentigen Teilrückzug ausgesprochen, wie ihn die US-Regierung vorgeschlagen hatte. Doch bevor Netanjahu bei seinem letzten US-Besuch in Washington diesem Vorschlag zustimmte, hatte er sich mit Scharon persönlich beraten und vermutlich dessen Einverständnis eingeholt.
Beobachter erwarten, daß die Ernennung Scharons die regierungsinterne Opposition gegen einen solchen Teilrückzug abmildern und einen möglichen Sturz der Regierung verhindern soll. Zugleich deutet die Ernennung darauf hin, daß beim Nahost-Gipfel, der am kommenden Donnerstag im US-Bundesstaat Maryland beginnt, ein Abkommen zwischen Israelis und Palästinensern wahrscheinlicher wird.
Im rechten Lager wird die Ernennung Scharons viel Beifall finden. Auch die Siedler werden sich freuen, weil sie erwarten, daß Sharon sich vehement für ihre Belange einsetzen wird. In der arabischen Welt dürfte die Ernennung dagegen auf herbe Kritik stoßen. Scharons militärische Karriere ist nämlich immer wieder mit Massakern an Zivilisten in Verbindung gebracht worden.
Trotzdem gilt Scharon den Palästinensern auch als offener und verläßlicher Verhandlungspartner. Seit den Oslo-Vereinbarungen hatte er wiederholt Geheimgespräche mit führenden PLO-Vertretern geführt. Netanjahu machte denn auch gestern deutlich, daß er die Abschlußverhandlungen mit den Palästinensern von jetzt an dem neuen Außenminister überlassen werde.
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