Apple verschenkt Album: Von U2 zwangsbeglückt
Apple verschenkt 500 Millionen Kopien des neuen Albums von U2 – und liefert sie gleich aus. Das sagt viel über eine Firma und eine Band im Niedergang.
BERLIN taz | Bei der Apple Keynote in Kalifornien vergangenen Dienstag steht Apple-CEO Tim Cook neben U2-Sänger Bono auf der Bühne. Die Herren plänkeln herum. „Du würdest wirklich einer halben Milliarde Nutzer das neue U2-Album 'Songs Of Innocence' schenken?“, fragt Bono wissend. „Ja“, antwortet Cook mit verlegener Bestimmtheit.
Es ist ein Sketch, der wirkt als wäre man bei einer Dauerwerbesendung gelandet. Als bedeutend gemeinte Geste strecken die beiden dann unbeholfen ihre Zeigefinger aus, berühren einander an den Fingerspitzen und es ist vollbracht. 500 Millionen Kopien des neuen U2-Albums gehen ab diesem Moment kostenlos an iTunes-User – ob sie wollen oder nicht.
In 119 Ländern werden jedem, der seine Zahlungsdaten bereits bei iTunes hinterlegt hat und seine "Einkäufe" automatisch mit allen Geräten synchronisiert, ungefragt elf Songs auf Computer, iPhone und iPad geklatscht. Großzügig irgendwie. Aber der Keynote fehlt es ja auch seit einiger Zeit an Höhepunkten. Apple wirkt in die Jahre gekommen, etwas hilflos und betulich ohne Steve Jobs. Vielleicht wurde U2 hinzugezogen, weil man befürchtete, das hinterherhinkende iPhone 6 und die Apple Watch könnten allein nicht überzeugen.
Einem geschenkten Gaul schaut man zwar nicht ins Maul, aber es riecht ein wenig nach Torschlusspanik in Silicon Valley. Apple will mit der „größten Albumveröffentlichung der Geschichte“, wie Cook die Show bescheiden nennt, im Grunde nur neue Kunden erreichen. Denn für alle, die in den nächsten fünf Wochen ein iTunes-Konto einrichten, ist das Album ebenfalls gratis.
Auch die in die Jahre gekommene Band U2 freut sich über die lange nicht dagewesene Aufmerksamkeit. Die Keynote war also eine Win-Win-Situation für alle Parteien – zumindest für alle, die Apple interessieren. Denn der Konzern beweist einmal mehr, dass die Bedürfnisse der bestehenden Kunden komplett bedeutungslos sind.
Dass das Vertrauen in Apple schon angeknackst ist, kann Cook wohl nicht entgangen sein. Gerade erst wurden Nacktfotos von Stars wie Jennifer Lawrence oder Kate Upton im Internet veröffentlicht. Anscheinend hat man sie aus deren iCloud gefischt. Seitdem steht die unangenehme Frage im Raum, wie einfach von außen auf die Geräte zugegriffen werden kann und ob es für iPhone-Nutzer überhaupt noch so etwas wie Privatssphäre gibt.
Bei der Keynote hat Apple die Frage selbst beantwortet und man darf davon ausgehen, dass es kein dummes Missgeschick war. Irgendein kluger Kopf in den Headquarters in Kalifornien wird schon angemerkt haben, dass die Zwangsbespielung mit U2 ein Eingriff in die Selbstbestimmung der Kunden ist. Und irgendein anderer kluger Kopf wird gleichgültig mit den Schultern gezuckt haben.
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