Apple-Serie „Women in Blue“: Polizistinnen ohne Waffen
Die Serie „Women in Blue“ erzählt von Frauen, die nicht nur gegen Kriminelle kämpfen. Sie trotzen auch dem Sexismus im Mexiko der 1970er-Jahre.
Als die vier ersten weiblichen Polizistinnen in Mexiko-Stadt 1971 auf Streife gehen, erhalten sie neben der Uniform als Ausrüstung eine Trillerpfeife, um im Fall des Falles Hilfe anzufordern und Kleingeld, mit dem sie ihre männlichen Kollegen anrufen können.
„Und die Waffen?“, fragt Polizeianwärterin Valentina (Natalia Tellez) entgeistert. Gibt es für Frauen nicht, antwortet ihr ein höhnisch grinsender männlicher Kollege.
In der Apple-TV+-Serie „Women in Blue“ müssen sich Frauen, die erstmals in Mexiko Polizistinnen werden, einiges gefallen lassen. Von ihren männlichen Kollegen werden sie lächerlich gemacht und in ihrer Arbeit behindert. Im machistischen Mexiko der frühen 1970er Jahre ist die Gründung der ersten weiblichen Polizeieinheit eigentlich ein PR-Gag, um die Medien zu beschäftigen und von den Morden eines Serienkillers abzulenken.
Die titelgebenden „Women in Blue“, wie sie wegen ihrer Uniformen genannt werden, entwickeln einen ungeahnten Aktivismus und sind im Gegensatz zu den männlichen Kollegen bald dem Täter der Femizide auf der Spur, die Mexiko-Stadt in Atem halten und zum Politikum werden.
Die ersten weiblichen Polizistinnen gab es in Mexiko-Stadt schon 1930 und wurden ebenfalls von ihren Kollegen und den Medien ins Lächerliche gezogen. Doch in der Serie wird diese Geschichte nach 1971 verlegt und entsprechend dem beliebten 70er-Vintage-Trend stylisch inszeniert.
Im Zentrum stehen vier Frauen. Die gutbürgerliche Maria (Bárbara Mori) trennt sich vom Ehemann, der seine Karriere als Architekt durch die Arbeit seiner Frau gefährdet sieht. Ihre rebellische Schwester Valentina (Natalia Téllez) sticht gerne mal Informationen an ihren journalistischen Lover Lucas (Sebastián Buitrón) durch.
Die neurodiverse Angeles (Ximena Sariñana) lebt bei ihrer Großmutter und entpuppt sich als geniale Ermittlerin. Gabina (Amorita Rasgado), Tochter eines hohen Polizeibeamten, schmeißen die Eltern aus dem Haus, weil die den Männern vorbehaltenen Job ihrer Tochter unehrenhaft finden.
Schaulaufen widerwärtiger Sexisten
Über weite Strecken ist diese flott inszenierte Serie wie ein Schaulaufen widerwärtiger Sexisten – egal, ob die ambitionierten Beamtinnen von männlichen Kollegen zum Aktensortieren in die Tiefgarage geschickt werden, weil sie keine Büros bekommen oder wehleidige Ehemänner hungern, weil die Hausfrau jetzt lohnarbeitet und sie nicht kochen können.
Als die jungen Polizistinnen bei ihren Ermittlungen erfolgreich sind, drohen sie sogar ihren Job zu verlieren, weil sie sich nicht an behördliche Befehlsketten halten. „Ihr solltet einfach nur lächeln“, brüllt sie Polizeichef Escobedo (Christian Tappán) an.
Aber die „Women in Blue“ lassen sich nicht unterkriegen. Der Zehnteiler mit in Mexiko berühmten Schauspielerinnen kommt mal wie eine südamerikanische Telenovela rüber, dann wieder wie ein packender Thriller, der die Idiotie männlicher Überheblichkeit in Szene setzt.
Die mexikanische Polizei wird als undemokratische Institution dargestellt, in der Unschuldige so lange geprügelt werden, bis sie Geständnisse ablegen, Folter ist an der Tagesordnung. Das Bild nichtdemokratischer Sicherheitskräfte entspricht historischen Gegebenheiten, die auch in Alfonso Cuarons im selben Jahr angesiedelten Film „Roma“ (2018) thematisiert werden.
„Women in Blue“, Apple TV+, wöchentlich eine neue Folge
„Women in Blue“ erzählt neben dem spannenden Krimiplot, wie Lohnarbeit von Frauen deren gesellschaftliche Stellung nachhaltig verändert und welche Widerstände sie dafür überwinden müssen. Das transportiert in den zehn knapp einstündigen Episoden ausführlich Zeitgeschichte.
So tritt der vom Präsidenten persönlich begnadigte Frauenmörder Goyo Cardenas (Bruno Bichir) auf, der Anfang der 70er in Mexiko von Medien und Politik als Paradebeispiel des rehabilitierungsfähigen Strafgefangenen gefeiert wurde. Es zeigt, wie wichtig das Thema Femizide für gesellschaftspolitische Debatten in Mexiko ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“