Anzeige gegen Lukaschenko: Weckruf für Brüssel
Ob die Strafanzeige deutscher Anwälte in Karlsruhe gegen den belarussischen Diktator Erfolg hat, ist ungewiss. Dennoch ist sie ein wichtiges Signal.
A uch wenn noch offen ist, ob eine Strafanzeige gegen den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe juristische Konsequenzen haben wird: Der Vorstoß von vier deutschen Anwälten, den Autokraten und seine Schergen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Rechenschaft ziehen zu lassen, ist weit mehr als ein symbolischer Schritt.
Vor allem bei all jenen Belaruss*innen, die zu tausenden Opfer von Folter, Demütigungen und Misshandlungen geworden und lebenslang gezeichnet sind, dürfte Hoffnung aufkeimen, dass es doch noch so etwas wie Gerechtigkeit geben könnte. Mindestens genauso wichtig ist der Umstand, dass dieses Land mitten in Europa, das für viele bis zum vergangenen Sommer ein blinder Fleck war, zumindest kurzzeitig wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit gerät.
Das ist auch bitter nötig. Denn während zu Beginn der Massenproteste gegen die gefälschte Präsidentenwahl noch viele gebannt und voller Empathie nach Belarus blickten, hat sich das Interesse mittlerweile wieder verflüchtigt. Aus den Augen, aus dem Sinn, längst erregen andere Themen die Gemüter.
Diese Entwicklung ist fatal angesichts schwerster Menschenrechtsverletzungen, die mittlerweile Alltag sind. Egal ob Ärzt*innen, Künstler*innen, Jurist*innen, Senior*innen oder Minderjährige: Nichts und niemand ist vor der belarussischen Staatsmacht sicher, die um des puren Machterhalts willen mit beispielloser Brutalität gegen ihre Bürger*innen vorgeht. Dabei gehen diejenigen, die diese Drecksarbeit verrichten, in der Regel straffrei aus. Warum also nicht einfach so weiter machen, wenn sowieso keine Folgen zu befürchten sind?
Die Anzeige in Karlsruhe sollte auch ein Weckruf für die Europäische Union sein. Doch in Brüssel scheinen die Verantwortlichen viel Zeit zu haben. Gerade wurde eine Befassung mit weiteren Sanktionen gegen das Regime in Minsk auf Mitte Juni verschoben. Zögern und Zaudern, Herumeiern statt Handeln – business as usual eben. Genau das darf es jedoch nicht geben. Solange nicht, wie Alexander Lukaschenko an der Macht ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe