Anwohnerklagen gegen Atomanlagen: Terror ist Behördensache
AnwohnerInnen von Atomanlagen sollen nicht mehr gegen mangelhaften Schutz vor Terror klagen können. Das plant Umweltministerin Schulze (SPD).
Konkret geht es um die Anforderungen an die „nukleare Sicherung“. Damit ist der Schutz gemeint, den die Betreiber von Atomanlagen gegen „Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter“ gewährleisten müssen. Zentrales Thema ist dabei die Gefahr von Terrorangriffen auf Atomanlagen. 2008 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass sich AnwohnerInnen von Zwischenlagern auch auf mangelhaften Schutz gegen „Störmaßnahmen“ berufen können.
Im Referentenentwurf des Umweltministeriums wird die „nukleare Sicherung“ nun aber als Vorsorge gegen Risiken „für die Allgemeinheit“ definiert. Greenpeace und BUND sehen darin den Versuch, den Anwohnern von Nuklearanlagen die „in langen Prozessen errungene und bestätigte“ Klagebefugnis wieder zu entziehen. Dies sei „verfassungswidrig“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Verbände.
Vermutlich würden die Verwaltungsgerichte diesen Rückschritt aber nicht mitmachen, sondern das Atomgesetz dann verfassungskonform auslegen. Sie würden den Anwohnern also trotz der neuen Formulierung auch weiterhin Klagen unter Berufung auf mangelhaften Schutz gegen Terrorangriffe erlauben. Davon geht wohl auch das Umweltministerium aus, denn es hat noch eine zweite Sicherung gegen Bürgerklagen eingebaut.
Ministerium: Lange Praxis wird klargestellt
In einem neuen Paragraf 44 soll im Atomgesetz ein „Funktionsvorbehalt“ normiert werden. Danach sollen die Behörden abschließend über die nukleare Sicherung entscheiden, die Gerichte sollen dies im Kern nicht mehr überprüfen können. Die Verbände sehen darin einen Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes.
Das Ministerium begründet den „Funktionsvorbehalt“ mit den Besonderheiten der nuklearen Sicherung. Anders als bei der technischen Sicherheit der Anlagen gehe es nicht um wissenschaftliche Berechnungen. Bei terroristischen Störmaßnahmen müsse vielmehr das Handeln von Menschen prognostiziert werden. Hierfür seien Polizei und Verfassungsschutz besonders geeignet. Deshalb sei den Behörden die Auswahl der möglichen Bedrohungsszenarien ebenso vorzubehalten wie die Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen.
Das Ministerium behauptet, damit werde nur die jahrzehntelange Praxis im Gesetz klargestellt. Tatsächlich hat die Rechtsprechung das Konzept des „Funktionsvorbehalts“ entwickelt. Ursprünglich sollte es dem Schutz der Behörden gegen Klagen der Atombetreiber dienen, doch der Vorbehalt schützte die Behörden dann auch gegen die Klagen der AKW-Gegner.
Gericht verlangte Schutz vor Flugzeugabsturz
Allerdings ging der Funktionsvorbehalt bisher nie so weit, wie er jetzt normiert werden soll. So hat das Bundesverwaltungsgericht noch 2012 festgestellt, dass zumindest die „Datenbasis“, die der Bewertung zugrundeliegt, gerichtlich geprüft werden kann. Das will das Ministerium nun ausschalten, auch um geheime Berichte zurückhalten zu können. Damit werde „die Verteidigung zutreffender Genehmigungsentscheidungen vor Gericht gesichert“, heißt es in der Begründung des Entwurfs.
Die Behörden ärgerten sich, dass das Bundesverwaltungsgericht 2012 auch Schutz gegen einen gezielten Absturz des besonders schweren Airbus A 380 verlangte, der damals erst eingeführt wurde. Auch forderte das Gericht, die technischen Fortschritte bei Panzerfäusten zu berücksichtigen. Mit diesen Argumenten verweigerte das Oberverwaltungsgericht Schleswig 2013 dann die Genehmigung des Zwischenlagers beim AKW Brunsbüttel.
In Deutschland werden zwar keine Atomkraftwerke mehr geplant, aber mehrere Zwischenlager haben noch keine Genehmigung. Auch die Rücknahme von deutschem Atommüll aus England und Frankreich bedarf der Genehmigung. Und ab 2031 soll ja auch ein Endlager gebaut werden.
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